∞Großer Vorhof des Pallasts
∞Fackeln
∞Lemuren
∞im Chor
∞
Mephistopheles
11523Hier gilt kein künstlerisch Bemühn;
11524Verfahret nur nach eignen Maaßen;
11525Der Längste lege längelang sich hin,
11526Ihr andern lüftet ringsumher den Rasen;
11527Wie mans für unsre Väter that,
11528Vertieft ein längliches Quadrat!
11529Aus dem Pallast ins enge Haus,
11530So dumm läuft es am Ende doch hinaus.
∞Lemuren
∞mit neckischen Gebärden grabend
∞Faust
∞aus dem Pallaste tretend, tastet an
den Thürpfosten
11539Wie das Geklirr der Spaten mich ergötzt!
11540Es ist die Menge, die mir fröhnet,
11541Die Erde mit sich selbst versöhnet,
11542Den Wellen ihre Gränze setzt,
∞
Mephistopheles
∞bey Seite
11544Du bist doch nur für uns bemüht
11545Mit deinen Dämmen deinen Buhnen;
11546Denn du bereitest schon Neptunen,
11547Dem Wasserteufel, großen Schmaus.
11548In jeder Art seyd ihr verloren,
11549Die Elemente sind mit uns verschworen,
11550Und auf Vernichtung läufts hinaus.
∞Faust
11551Wie es auch möglich sey
11552Arbeiter schaffe Meng’ auf Menge,
11553Ermuntere durch Genuß und Strenge,
11554Bezahle, locke, presse bey!
11555Mit jedem Tage will ich Nachricht haben
11556Wie sich verlängt der unternommene Graben.
∞
Mephistopheles
∞halblaut
11557Man spricht, wie man mir Nachricht gab,
11558Von keinem Graben, doch vom
Grab.
∞Faust
11559Ein Sumpf zieht am Gebirge hin,
11560Verpestet alles schon Errungene;
11561Den faulen Pfuel auch abzuziehn
11562Das Letzte wär das Höchsterrungene.
11563Eröffn’ ich Räume vielen Millionen,
11564Nicht sicher zwar, doch
thätig-frey zu wohnen.
11565Grün das Gefilde, fruchtbar; Mensch und Heerde
11566Sogleich behaglich auf der neusten Erde,
11567Gleich angesiedelt an des Hügels Kraft,
11568Den aufgewälzt kühn-emsige Völkerschaft.
11569Im Innern hier ein paradiesisch Land,
11570Da rase draußen Fluth bis auf zum Rand,
11571Und wie sie nascht gewaltsam einzuschießen,
11572Gemeindrang eilt die Lücke zu verschließen.
11573Ja diesem Sinne bin ich ganz ergeben,
11574Das ist der Weisheit letzter Schluß:
11575Nur der verdient sich Freyheit wie das Leben,
11576Der täglich sie erobern muß.
11577Und so verbringt, umrungen von Gefahr,
11579Solch ein Gewimmel möcht ich sehn,
11580Auf freyem Grund mit freyem Volke stehn.
11581Zum Augenblicke dürft’ ich sagen:
11582Verweile doch, du bist so schön!
11583Es kann die Spur von meinen Erdetagen
11584Nicht in Äonen untergehn. –
11585Im Vorgefühl von solchem hohen Glück
11586Genieß ich jetzt den höchsten Augenblick.
∞
Mephistopheles
11587Ihn sättigt keine Lust, ihm gnügt kein Glück,
11588So buhlt er fort nach wechselnden Gestalten;
11589Den letzten, schlechten, leeren Augenblick
11590Der Arme wünscht ihn fest zu halten.
11591Der mir so kräftig widerstand,
11592Die Zeit wird Herr, der Greis hier liegt im Sand.
11593Die Uhr steht still –
∞
Mephistopheles
11595Vorbey!
ein dummes Wort.
11596Warum vorbey?
11597Vorbey und reines Nicht, vollkomnes Einerley.
11598Was soll uns denn das ewge Schaffen,
11599Geschaffenes zu nichts hinwegzuraffen?
11600Da ists vorbey! Was ist daran zu lesen?
11601Es ist so gut als wär es nicht gewesen,
11602Und treibt sich doch im
Kreis als wenn es wäre.
11603Ich liebte mir dafür das Ewig-Leere.
∞
∞Grablegung
∞
Mephistopheles
11612Der Körper liegt und will der Geist entfliehn,
11613Ich zeig ihm rasch den blutgeschriebnen Titel; –
11614Doch leider hat man jetzt so viele Mittel
11615Dem Teufel Seelen zu entziehn.
11616Auf altem Wege stößt man an,
11617Auf neuem sind wir nicht empfohlen;
11618Sonst hätt ich es allein gethan,
11619Jetzt muß ich Helfershelfer holen.
11620Uns gehts in allen Dingen schlecht.
11621Herkömmliche Gewohnheit, altes Recht,
11622Man kann auf gar nichts mehr vertrauen.
11623Sonst mit dem letzten Athem fuhr sie aus,
11624Ich paßt ihr auf und, wie die schnellste Maus,
11625Schnapps! hielt ich sie in fest verschloßnen Klauen.
11626Nun zaudert sie und will den düstern Ort,
11627Des schlechten Leichnams eckles Haus nicht lassen;
11628Die Elemente die sich hassen,
11629Die treiben sie am Ende schmählich fort.
11630Und wenn ich Tag und Stunden mich zerplage
11632Der alte Tod verlor
die rasche Kraft,
11633Das Ob?
sogar ist lange zweifelhaft;
11634Oft sah ich lüstern auf die starren Glieder;
∞
Phantastisch-flügelmännische Beschwörungs-Gebärden
11636Nur frisch heran! verdoppelt euren Schritt,
11637Ihr Herrn vom
graden, Herrn vom krummen Horne,
11639Bringt ihr zugleich den Höllenrachen mit.
11640Zwar hat die Hölle Rachen viele! viele!
11641Nach Standsgebühr und Würden schlingt sie ein;
11642Doch wird man auch bey diesem letzten Spiele
11643Ins künftige nicht so bedenklich seyn.
∞
Der gräuliche Höllenrachen thut sich
lincks auf.
11644Eckzähne klaffen; dem Gewölb des Schlundes
11645Entquillt der Feuerstrom in Wuth,
11646Und in dem Siedequalm des Hintergrundes
11647Seh ich die Flammenstadt in ewiger Glut.
11648Die rothe Brandung schlägt hervor bis an die Zähne,
11649Verdammte, Rettung hoffend, schwimmen an;
11650Doch colossal zerknirscht sie die Hyäne
11651Und sie erneuen ängstlich heisse Bahn.
11652In Winkeln bleibt noch vieles zu entdecken,
11653So viel Erschrecklichstes im engsten Raum!
11654Ihr thut sehr wohl die Sünder zu erschrecken
11655Sie haltens doch für Lug und Trug und Traum.
∞
Zu den Dickteufeln vom kurzen,
graden Horne
11656Nun wanstige Schuften mit den Feuerbacken!
11657Ihr glüht so recht vom Höllenschwefel feist;
11658Klotzartige, kurze, nie bewegte Nacken
11659Hier unten lauert ob’s wie Phosphor gleißt:
11660Das ist das Seelchen, Psyche mit den Flügeln,
11661Die rupft ihr aus so ists ein garstiger Wurm;
11662Mit meinem Stempel will ich sie besiegeln
11663Dann
fort mit ihr im Feuer-Wirbel-Sturm.
11664Paßt auf die niedern Regionen,
11665Ihr Schläuche, das ist eure Pflicht;
11666Ob’s ihr beliebte da zu wohnen,
11667So accurat weiß man das nicht.
11668Im Nabel ist sie gern zu Haus,
11669Nehmt es in Acht sie wischt euch dort heraus.
∞
Zu den Dürrteufeln vom langen,
krummen Horne
∞Glorie von oben, rechts
∞Himmlische Heerschaar
∞
Mephistopheles
11685Mißtöne hör ich, garstiges Geklimper,
11686Von oben kommts mit unwillkommnem Tag;
11687Es ist das bübisch-mädchenhafte Gestümper,
11688Wie frömmelnder Geschmack sichs lieben mag.
11689Ihr wißt wie wir, in tiefverruchten Stunden,
11690Vernichtung sannen menschlichem Geschlecht;
11691Das Schändlichste was wir erfunden
11692Ist ihrer Andacht eben recht.
∞Chor der Engel
∞
Mephistopheles
∞
zu den Satanen
11710Was duckt und zuckt ihr?
ist das Höllenbrauch?
11711So haltet Stand und laßt sie streuen.
11712An seinen Platz ein jeder Gauch!
11713Sie denken wohl mit solchen Blümeleyen
11714Die heißen Teufel einzuschneyen;
11715Das schmilzt und schrumpft vor eurem Hauch.
11716Nun pustet Püstriche! – Genug genug!
11717Vor eurem Broden bleicht der ganze
Flug. –
11718Nicht so gewaltsam! schließet Maul und Nasen.
11719Fürwahr ihr habt zu stark geblasen;
11720Daß ihr doch nie die rechten Maaße kennt.
11721Das schrumpft nicht nur, es bräunt sich, dorrt, es
brennt!
11722Schon schwebts heran mit giftig klaren Flammen,
11723Stemmt euch dagegen, drängt euch fest zusammen!
11724Die Kraft erlischt dahin ist aller Muth11724 erlischt‸
bis Muth‸
] 2 H erlischt, bis Muth! Ec
2 H
(VI)
11725Die Teufel wittern fremde Schmeichelglut.
∞Engel
∞
Mephistopheles
11735O Fluch! o Schande solchen Tröpfen!
11736Satane stehen auf den Köpfen,
11737Die Plumpen schlagen Rad auf Rad
11738Und stürzen ärschlings in die Hölle.
11739Gesegn’ euch das verdiente heisse Bad!
11740Ich aber bleib auf meiner Stelle. –
∞
Sich mit den schwebenden Rosen herumschlagend
11741Irrlichter fort! du!
leuchte noch so stark,
11742Du bleibst gehascht ein eckler Gallert-Quarck.
11743Was flatterst du? Willst du dich packen! –
11744Es klemmt wie Pech und Schwefel mir im Nacken.
∞Engel. Chor
∞
Mephistopheles
11753Mir brennt der Kopf, das Herz, die Leber brennt,
11754Ein überteuflich Element!
11755Weit spitziger als Höllenfeuer. –
11756Drum jammert ihr so ungeheuer
11757Unglückliche Verliebte! die, verschmäht,
11758Verdrehten Halses nach der Liebsten späht.
11759Auch mir! Was zieht den Kopf auf jene Seite?
11761Der Anblick war mir sonst so feindlich scharf.
11762Hat mich ein Fremdes durch und durch gedrungen,
11763Ich mag sie gerne sehn die allerliebsten Jungen;
11764Was hält mich ab daß ich nicht fluchen darf? –
11765Und wenn ich mich bethören lasse
11766Wer heißt denn künftighin der Thor?
11767Die Wetterbuben die ich hasse
11768Sie kommen mir doch gar zu lieblich vor. –
11769Ihr schönen Kinder laßt mich wissen:
11770Seyd ihr nicht auch von Lucifers Geschlecht?
11771Ihr seyd so hübsch, fürwahr ich möcht euch küssen;
11773Es ist mir so behaglich, so natürlich
11774Als hätt ich euch schon tausendmal gesehn,
11775So heimlich-kätzchenhaft begierlich;
11776Mit jedem Blick aufs neue schöner schön.
11777O nähert euch, o gönnt mir Einen Blick!
∞Engel
11778Wir kommen schon, warum weichst du zurück?
11779Wir nähern uns und wenn du kannst so bleib.
∞die Engel nehmen, umherziehend, den ganzen Raum ein.
∞Mephistopheles
∞der ins Proscenium gedrängt wird
11780Ihr scheltet uns verdammte Geister
11781Und seyd die wahren Hexenmeister;
11782Denn ihr verführet Mann und Weib. –
11783Welch ein verfluchtes Abenteuer!
11784Ist dies das Liebeselement?
11785Der ganze Körper steht in Feuer,
11786Ich fühle kaum daß es im Nacken brennt. –
11787Ihr schwanket hin und her, so senkt euch nieder,
11788Ein bischen weltlicher bewegt die holden Glieder;
11789Fürwahr der Ernst steht euch recht schön.
11790Doch möcht’ ich euch nur einmal lächeln sehn;
11791Das wäre mir ein ewiges Entzücken.
11792Ich meyne so wie wenn Verliebte blicken,
11793Ein kleiner Zug am Mund so ists gethan.
11794Dich langer Bursche dich mag ich am liebsten leiden,
11795Die Pfaffenmiene will dich gar nicht kleiden,
11796So sieh mich doch ein wenig lüstern an!
11797Auch könntet ihr anständig-nackter gehen,
11798Das lange Faltenhemd ist übersittlich –
11799Sie wenden sich – Von hinten anzusehen! –
11800Die Racker sind doch gar zu appetitlich.
∞Chor der Engel
∞
Mephistopheles
∞sich faßend
11809Wie wird mir! – hiobsartig, Beul an Beule
11810Der ganze Kerl, dem’s vor sich selber graut,
11811Und triumphirt zugleich wenn er sich ganz durchschaut,
11812Wenn er auf sich und seinen Stamm vertraut;
11813Gerettet sind die edlen Teufelstheile,
11814Der Liebespuck er wirft sich auf die Haut;
11815Schon ausgebrannt sind die verruchten Flammen,
11816Und, wie es sich
gehört, fluch ich euch
allzusammen.
∞Chor der Engel
∞Sie erheben
sich, Faustens Unsterbliches
entführend.
∞
Mephistopheles
∞sich umsehend
11825Doch wie? – wo sind sie hingezogen?
11826Unmündiges Volk du hast mich überrascht,
11827Sind mit der Beute himmelwärts entflogen;
11828Drum haben sie an dieser Gruft genascht!
11829Mir ist ein großer einziger Schatz entwendet,
11830Die hohe Seele die
sich mir verpfändet
11831Die haben sie mir pfiffig weggepascht.
11832Bey wem soll ich mich nun beklagen?
11833Wer schafft mir mein erworbenes Recht?
11834Du bist getäuscht in deinen alten Tagen,
11835Du hasts verdient, es geht dir grimmig schlecht.
11836Ich habe schimpflich mißgehandelt,
11838Gemein Gelüst, absurde Liebschaft wandelt
11839Den ausgepichten Teufel an.
11840Und hat mit diesem kindisch-tollen Ding
11841Der Klugerfahrne sich beschäftigt,
11842So ist fürwahr die Thorheit nicht gering
11843Die seiner sich am Schluß bemächtigt.