∞Kaiserliche Pfalz
∞
∞Saal des Thrones
∞Staatsrath in Erwartung des Kaisers
∞Trompeten
∞Hofgesinde aller Art prächtig
gekleidet tritt vor
∞Der Kaiser gelangt auf
den Thron, zu seiner Rechten der Astrolog
∞Kaiser
4728Ich grüße die Getreuen, Lieben,
4729Versammelt aus der Näh’ und Weite; –
4730Den Weisen seh ich mir zur Seite,
4731Allein wo ist der Narr geblieben?
∞Junker
4732Gleich hinter deiner Mantel-Schleppe
4733Stürzt’ er zusammen auf der Treppe,
4734Man trug hinweg das Fett-Gewicht
4735Todt oder trunken? weis man nicht.
∞Zweyter Junker
4736Sogleich mit wunderbarer Schnelle
4737Drängt sich ein andrer an die Stelle.
4738Gar köstlich ist er aufgeputzt,
4739Doch frazzenhaft daß
jeder stutzt;
4740Die Wache hält ihm an der Schwelle
4741Kreuzweis die Hellebarden vor –
4742Da ist er doch der kühne Thor!
∞Mephistopheles
∞am Throne knieend
4743Was ist verwünscht und stets willkommen?
4744Was ist ersehnt und stets verjagt?
4745Was immerfort in Schutz genommen?
4746Was hart gescholten und verklagt?
4747Wen darfst du nicht herbeyberufen?
4748Wen höret jeder gern genannt?
4749Was naht sich deines Thrones Stufen?
4750Was hat sich selbst hinweggebannt?
∞Kaiser
4751Für diesmal spare deine Worte!
4752Hier sind die Räthsel nicht am Orte,
4753Das ist die Sache dieser Herrn. –
4754Da löse du! das hört ich gern:
4755Mein alter Narr ging, fürcht’ ich, weit in’s Weite;
4756Nimm seinen Platz und komm an meine Seite.
∞Mephistopheles
steigt hinauf und stellt sich zur Linken
∞Gemurmel der Menge
∞Kaiser
4761Und also ihr Getreuen,
Lieben,
4762Willkommen aus der Näh’ und Ferne
4763Ihr sammelt Euch mit günstigem Sterne
4764Da droben ist uns Glück und Heil geschrieben.
4765Doch sagt warum in diesen Tagen,
4766Wo wir der Sorgen uns entschlagen,
4767Schönbärte mummenschänzlich tragen
4768Und heitres nur genießen wollten,
4769Warum wir uns rathschlagend quälen sollten?
4770Doch weil ihr meynt es ging nicht anders an,
4771Geschehen ist’s, so sey’s gethan.
∞Canzler
4772Die höchste Tugend, wie ein Heiligen-Schein,
4773Umgiebt des Kaisers Haupt, nur er allein
4774Vermag sie gültig auszuüben:
4775Gerechtigkeit! – Was alle Menschen lieben,
4776Was alle fordern, wünschen, schwer entbehren,
4777Es liegt an ihm dem Volk es zu gewähren.
4778Doch ach! Was hilft dem Menschengeist Verstand,
4779Dem Herzen Güte, Willigkeit der Hand,
4780Wenns fieberhaft durchaus im Staate wüthet,
4781Und Übel sich in Übeln
überbrütet.
4782Wer schaut hinab von diesem hohen Raum
4783Ins weite Reich, ihm scheint’s ein schwerer
Traum;
4784Wo Mißgestalt in Mißgestalten schaltet,
4785Das Ungesetz gesetzlich überwaltet,
4786Und eine Welt des Irrthums sich entfaltet.
4787Der raubt sich Heerden, der ein Weib,
4788Kelch, Kreuz und Leuchter vom Altare,
4789Berühmt sich dessen manche Jahre
4790Mit heiler Haut, mit unverletztem Leib.
4791Jetzt drängen Kläger sich zur Halle,
4792Der Richter prunkt auf hohem Pfühl,
4793Indessen wogt, in grimmigem Schwalle,
4794Des Aufruhrs wachsendes Gewühl.
4795Der darf auf Schand und Frevel pochen
4796Der auf Mitschuldigste sich stützt,
4797Und: Schuldig! hörst du
ausgesprochen
4798Wo Unschuld nur sich selber schützt.
4799So will sich alle Welt zerstückeln,
4800Vernichtigen was sich gebührt;
4801Wie soll sich da der Sinn entwickeln
4802Der einzig uns zum Rechten führt?
4803Zuletzt ein wohlgesinnter Mann
4804Neigt sich dem Schmeichler, dem Bestecher,
4805Ein Richter der nicht strafen kann
4806Gesellt sich endlich zum Verbrecher.
4807Ich malte schwarz, doch dichtern Flor
4808Zög’ ich dem Bilde lieber vor.
∞Pause
∞Heermeister
4812Wie tobt’s in diesen wilden Tagen
4813Ein jeder schlägt und wird erschlagen
4814Und fürs Commando bleibt man taub.
4815Der Bürger hinter seinen Mauern
4816Der Ritter auf dem Felsennest
4817Verschwuren sich uns auszudauern
4818Und halten ihre Kräfte fest.
4819Der Miethsoldat wird
ungeduldig,
4820Mit Ungestüm verlangt er seinen Lohn,
4821Und wären wir ihm nichts mehr schuldig
4822Er liefe ganz und gar davon.
4823Verbiete wer was alle wollten,
4824Der hat ins Wespennest gestört;
4825Das Reich das sie beschützen sollten,
4826Es liegt geplündert und verheert.
4827Man läßt ihr Toben wüthend hausen,
4828Schon ist die halbe Welt verthan;
4829Es sind noch Könige da draußen
4830Doch keiner denkt es ging ihn irgend an.
∞Schatzmeister
4831Wer wird auf Bundsgenossen pochen!
4832Subsidien die man uns versprochen,
4833Wie Röhrenwasser, bleiben aus.
4834Auch Herr, in deinen weiten Staaten
4835An wen ist der Besitz gerathen?
4836Wohin man kommt, da
hält ein Neuer Haus
4837Und unabhängig will er leben,
4838Zusehen muß man wie er’s treibt;
4839Wir haben soviel Rechte hingegeben,
4840Daß uns auf nichts ein Recht mehr übrig bleibt.
4841Auch auf Partheyen, wie sie heißen,
4842Ist heut zu Tage kein Verlaß;
4843Sie mögen schelten oder preisen,
4844Gleichgültig wurden Lieb und Haß.
4845Die Ghibellinen wie die Guelfen
4846Verbergen sich um auszuruhn;
4847Wer jetzt will seinem Nachbar helfen?
4848Ein jeder hat für sich zu thun.
4850Ein jeder krazt und scharrt und sammelt
4851Und unsre Cassen bleiben leer.
∞Marschalk
4852Welch Unheil muß auch ich erfahren;
4853Wir wollen alle Tage sparen
4854Und brauchen alle Tage mehr.
4855Und täglich wächst mir neue Pein.
4856Den Köchen thut kein Mangel wehe;
4857Wildschweine, Hirsche, Hasen, Rehe,
4858Welschhüner, Hühner, Gäns’ und Enten,
4859Die Deputate, sichre Renten,
4860Sie gehen noch so ziemlich ein.
4861Jedoch am Ende fehlt’s an Wein.
4862Wenn sonst im Keller Faß an Faß sich häufte,
4863Der besten Berg- und Jahresläufte,
4864So schlürft unendliches Gesäufte
4865Der edlen Herrn den letzten Tropfen aus.
4866Der Stadtrath muß sein Lager auch verzapfen,
4867Man greift zu Humpen, greift zu Napfen,
4868Und unterm Tische liegt der Schmaus.
4869Nun soll ich zahlen, alle lohnen;
4870Der Jude wird mich nicht verschonen
4871Der schafft Anticipationen,
4872Die speisen Jahr um Jahr voraus.
4873Die Schweine kommen nicht zu Fette,
4874Verpfändet ist der Pfühl im Bette,
4875Und auf den Tisch kommt vorgegessen Brot.
∞Kaiser
∞nach einigem Nachdenken zu
Mephistopheles
4876Sag, weist du Narr nicht auch noch eine Noth?
∞Mephistopheles
4878Dich und die deinen! – Mangelte Vertrauen,
4879Wo Majestät unweigerlich gebeut?
4880Bereite Macht Feindseliges zerstreut,
4881Wo guter Wille, kräftig durch Verstand
4882Und Thätigkeit, vielfältige, zur Hand?
4883Was könnte da zum Unheil sich vereinen,
4884Zur Finsterniß wo solche Sterne scheinen?
∞Gemurmel
∞Mephistopheles
4889Wo fehlts nicht irgendwo auf dieser Welt?
4890Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld.
4891Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen;
4892Doch Weisheit weis das Tiefste herzuschaffen.
4893In Bergesadern, Mauergründen
4894Ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden,
4895Und fragt ihr mich wer es zu Tage schafft:
4896Begabten Mann’s Natur- und Geisteskraft.
∞Canzler
4897Natur und Geist – so spricht man
nicht zu Christen.
4898Deshalb verbrennt man Atheisten,
4899Weil solche Reden höchst gefährlich sind.
4900Natur ist Sünde, Geist ist Teufel,
4901Sie hegen zwischen sich den Zweifel
4902Ihr mißgestaltet Zwitterkind.
4903Uns nicht so! – Kaisers alten Landen
4904Sind zwey Geschlechter nur entstanden,
4905Sie stützen würdig seinen Thron:
4906Die Heiligen sind es und die Ritter;
4907Sie stehen jedem Ungewitter
4908Und nehmen Kirch’ und Staat zum Lohn.
4909Dem Pöbelsinn verworrener Geister
4910Entwickelt sich ein Widerstand,
4911Die Ketzer sind’s! die Hexenmeister!
4912Und sie verderben Stadt und
Land.
4913Die willst du nun mit frechen Scherzen
4914In diese hohen Kreise schwärzen,
4915Ihr hegt euch an verderbtem Herzen,
4916Dem Narren sind sie nah verwandt.
∞Mephistopheles
4917Daran erkenn’ ich den gelehrten Herrn!
4918Was ihr nicht tastet steht euch meilenfern,
4919Was ihr nicht faßt das fehlt euch ganz und gar,
4920Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr sey nicht wahr,
4921Was ihr nicht wägt hat für euch kein Gewicht,
4922Was ihr nicht münzt das meynt ihr gelte nicht.
∞Kaiser
4923Dadurch sind unsre Mängel nicht erledigt,
4924Was willst du jetzt mit deiner Fastenpredigt.
4925Ich habe satt das ewige Wie und Wenn;
4926Es fehlt an Geld, nun gut so schaff’ es denn.
∞Mephistopheles
4927Ich schaffe was ihr wollt und schaffe mehr;
4928Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer;
4929Es liegt schon da, doch um es zu erlangen
4930Das ist die Kunst, wer weis es anzufangen?
4931Bedenkt doch nur: in jenen Schreckensläuften
4932Wo Menschenfluten Land und Volk ersäuften,
4933Wie der und der, so sehr es ihn erschreckte,
4934Sein Liebstes da-
und dort wohin versteckte.
4935So war’s von je in mächtiger Römer Zeit,
4936Und so fortan, bis gestern, ja bis heut.
4937Das alles liegt im Boden still begraben,
4938Der Boden ist des Kaisers, der soll’s haben.
∞Schatzmeister
4939Für einen Narren spricht er gar nicht schlecht,
4940Das ist fürwahr des alten Kaisers Recht.
∞Canzler
4941Der Satan legt euch goldgewirkte Schlingen:
4942Es geht nicht zu mit frommen rechten Dingen.
∞Marschalk
4943Schafft’ er uns nur zu Hof willkommne Gaben,
4944Ich wollte gern ein Bischen Unrecht haben.
∞Heermeister
4945Der Narr ist klug, verspricht was jedem frommt;
4946Fragt der Soldat doch nicht woher es kommt.
∞Mephistopheles
4947Und glaubt ihr euch vielleicht durch mich betrogen;
4948Hier steht ein Mann! da! fragt den Astrologen,
4949In Kreis’ um Kreise kennt er Stund und Haus,
∞Gemurmel
∞Astrolog
∞spricht,
Mephistopheles bläst ein.
4955Die Sonne selbst sie ist ein lautres Gold,
4956Merkur der Bote dient um Gunst und Sold,
4957Frau Venus hat’s euch allen angethan,
4958So früh als spat blickt sie euch lieblich an;
4959Die keusche Luna launet grillenhaft,
4960Mars trifft er nicht, so dräut euch seine Kraft.
4961Und Jupiter bleibt doch der schönste Schein,
4962Saturn ist groß, dem Auge fern und klein.
4963Ihn als Metall verehren wir nicht sehr,
4964An Werth gering, doch im Gewichte schwer.
4965Ja! wenn zu Sol sich Luna fein gesellt,
4966Zum Silber Gold, dann ist es heitre Welt,
4967Das Übrige ist alles zu erlangen,
4968Palläste, Gärten, Brüstlein, rothe Wangen,
4969Das alles schafft der hochgelahrte Mann
4970Der das vermag was unser keiner kann.
∞Gemurmel
∞Mephistopheles
4977Da stehen sie umher und staunen,
4978Vertrauen nicht dem hohen Fund,
4979Der eine faselt von Alraunen
4980Der andre von dem schwarzen Hund.
4981Was soll es daß der eine witzelt,
4982Ein andrer Zauberey verklagt,
4983Wenn ihm doch auch einmal die Sohle kitzelt
4984Wenn ihm der sichre Schritt versagt.
4985Ihr alle fühlt geheimes Wirken
4986Der ewig waltenden Natur,
4987Und aus den untersten Bezirken
4988Schmiegt sich herauf lebendge Spur.
4989Wem es in allen Gliedern zwackt,4989–4990 Wem bis Wem ] 2 H
Wenn bis Wenn : Wem bis Wem durch Rasur 2 H
Wenn bis Wenn 2 I H.0a
(II aa)
4990Wem es unheimlich wird am Platz,
4991Nur gleich entschlossen grabt und hackt,
4992Da liegt der Spielmann, liegt der Schatz!
∞Gemurmel
∞Kaiser
4999Nur eilig! du entschlüpfst nicht wieder,
5000Erprobe deine Lügenschäume,
5001Und zeig’ uns gleich die edlen Räume.
5002Ich lege Schwerdt und Scepter nieder,
5003Und will mit eignen hohen Händen,
5004Wenn du nicht lügst, das Werk vollenden,
5005Dich, wenn du lügst, zur Hölle senden!
∞Mephistopheles
5006Den Weg dahin wüßt’ allenfalls zu finden. –
5007Doch kann ich nicht genug verkünden
5008Was überall besitzlos harrend liegt.
5009Der Bauer der die Furche pflügt
5010Hebt einen Goldtopf mit der Scholle,
5011Salpeter hofft er von der Leimenwand
5012Und findet golden-goldne Rolle,
5013Erschreckt, erfreut in kümmerlicher Hand.
5014Was für Gewölbe sind zu sprengen,
5015In welchen Klüften, welchen Gängen
5016Muß sich der Schatzbewußte drängen,
5017Zur Nachbarschaft der Unterwelt!
5019Von goldnen Humpen, Schüsseln, Tellern,
5020Sieht er sich Reihen aufgestellt.
5021Pokale stehen aus Rubinen
5022Und will er deren sich bedienen
5023Daneben liegt uraltes Naß.
5024Doch – werdet ihr dem Kundigen glauben –
5025Verfault ist längst das Holz der Dauben5025 Dauben ] Tauben 2 H 2 I H.0a
Dauben C.1 12 C.3 12
(I a)
5026Der Weinstein schuf dem Wein ein Faß.
5027Essenzen solcher edlen Weine,
5028Gold und Juwelen nicht alleine
5029Umhüllen sich mit Nacht und Graus.
5030Der Weise forscht hier unverdrossen;
5031Am Tag’ erkennen das sind Possen,
5032Im Finstern sind Mysterien zu Haus.
∞Kaiser
5033Die laß ich dir! Was will das Düstre frommen?
5034Hat etwas Werth, es muß zu Tage kommen.
5035Wer kennt den Schelm in tiefer Nacht genau?
5036Schwarz sind die Kühe, so die Katzen grau.
5037Die Töpfe drunten, voll von Goldgewicht;
5038Zieh’ deinen Pflug, und ackre sie ans Licht.
∞Mephistopheles
5039Nimm Hack’ und Spaten grabe selber,
5040Die Bauernarbeit macht dich groß,
5041Und eine Heerde goldner Kälber
5042Sie reißen sich vom Boden los.
5043Dann ohne Zaudern, mit Entzücken,
5044Kannst du dich selbst, wirst die Geliebte schmücken;
5045Ein leuchtend Farb- und Glanzgestein erhöht
5046Die Schönheit wie die Majestät.
∞Astrolog
∞wie oben
5048Herr mäßige solch dringendes Begehren,
5049Laß erst vorbey das bunte Freudenspiel;
5050Zerstreutes Wesen führt uns nicht zum Ziel.
5051Erst müssen wir in
Fassung uns versühnen,
5052Das Untre durch das Obere verdienen.
5053Wer Gutes will der sey erst gut;
5054Wer Freude will besänftige sein Blut;
5055Wer Wein verlangt der keltre reife Trauben,
5056Wer Wunder hofft der stärke seinen Glauben.
∞Kaiser
5057So sey die Zeit in Fröhlichkeit verthan!
5058Und ganz erwünscht kommt Aschermittwoch an.
5059Indessen feyern wir, auf jeden Fall,
5060Nur lustiger das wilde Carneval.
∞Trompeten, Exeunt
∞
∞Weitläufiger Saal, mit Nebengemächern, verziert und aufgeputzt zur Mummenschanz
∞Herold
5065Denkt nicht ihr seyd in deutschen Gränzen
5066Von Teufels-, Narren- und Todtentänzen,
5067Ein heitres Fest erwartet euch.
5068Der Herr, auf seinen Römerzügen
5069Hat, sich zu Nutz, euch zum Vergnügen,
5070Die hohen Alpen überstiegen,
5071Gewonnen sich ein heitres Reich.
5072Der Kaiser, er, an heiligen Solen,
5073Erbat sich erst das Recht zur Macht,
5074Und als er ging die Krone sich zu holen,
5075Hat er uns auch die Kappe mitgebracht.
5076Nun sind wir alle neugeboren;
5077Ein jeder weltgewandte Mann
5078Zieht sie behaglich über Kopf und Ohren;
5079Sie ähnlet ihn verrückten Thoren,
5080Er ist darunter weise wie er kann.
5081Ich sehe schon wie sie sich schaaren,
5082Sich schwankend sondern, traulich paaren;
5083Zudringlich schließt sich Chor an Chor.
5084Herein, hinaus, nur unverdrossen;
5085Es bleibt doch endlich nach wie vor,
5086Mit ihren hunderttausend Possen,
5087Die Welt ein einziger großer Thor.
∞Gärtnerinnen
∞Gesang begleitet von
Mandolinen
5088Euren Beyfall zu gewinnen
5089Schmückten wir uns diese Nacht,
5090Junge Florentinerinnen
5091Folgten deutschen Hofes Pracht;
5092Tragen wir in braunen Locken
5093Mancher heiteren Blume Zier,
5094Seidenfäden, Seidenflocken
5095Spielen ihre Rolle hier.
5096Denn wir halten es verdienstlich,
5097Lobenswürdig ganz und gar,
5098Unsere Blumen, glänzend künstlich,
5099Blühen fort das ganze Jahr.
∞Herold
∞Gärtnerinnen
∞Olivenzweig mit Früchten
∞Phantasiekranz
∞Phantasie-Straus
∞Ausforderung
∞Rosenknospen
5152Wenn der Sommer sich verkündet5152–5153 verkündet bis entzündet ] 2 I H.0a entzündet bis verkündet 2 H
entzündet bis entzündet : verkündet bis entzündet vorschl Ri bill G 2 I H.0a
(II d*)
5153Rosenknospe sich entzündet,
5154Wer mag solches Glück entbehren?
5155Das Versprechen, das Gewähren.
5156Das beherrscht, in Florens Reich,
5157Blick und Sinn und Herz zugleich.
∞Unter grünen Laubgängen putzen die
Gärtnerinnen zierlich ihren Kram auf.
∞Gärtner
∞Gesang begleitet von
Theorben
5158Blumen sehet ruhig sprießen
5159Reizend euer Haupt umzieren,
5160Früchte wollen nicht verführen,
5161Kostend mag man sie genießen.
5162Bieten bräunliche Gesichter
5163Kirschen, Pfirschen, Königspflaumen,
5164Kauft! denn gegen Zung’ und Gaumen
5165Hält sich Auge schlecht als Richter.
5166Kommt von allerreifsten Früchten
5167Mit Geschmack und Lust zu speisen!
5168Über Rosen läßt sich dichten,
5169In die Äpfel muß man beißen.
∞Unter Wechselgesang, begleitet von Guitarren und
Theorben, fahren beyde Chöre fort ihre Waaren stufenweis in die Höhe
zu schmücken und auszubieten.
∞Mutter und Tochter
∞Mutter
5178Mädchen als du kamst ans Licht
5179Schmückt ich dich im Häubchen,
5180Warst so lieblich von Gesicht,
5181Und so zart am Leibchen.
5183Gleich dem Reichsten angetraut,
5184Dachte dich als Weibchen.
∞Gespielinnen jung und schön gesellen sich hinzu, ein
vertrauliches Geplauder wird laut.
∞
Fischer und Vogelsteller Mit Netzen, Angel und Leimruthen, auch sonstigem Geräthe treten auf, mischen sich
unter die schönen Kinder.
Wechselseitige Versuche zu gewinnen, zu fangen, zu entgehen und fest
zu halten geben zu den angenehmsten Dialogen Gelegenheit.
∞Holzhauer
∞treten ein ungestüm und
ungeschlacht
∞Pulcinelle
∞täppisch fast
läppisch
5215Ihr seyd die Thoren
5216Gebückt geboren.
5217Wir sind die Klugen
5218Die nie was trugen;
5219Denn unsre Kappen
5220Jacken und Lappen
5221Sind leicht zu tragen.
5222Und mit Behagen
5223Wir immer müßig
5224Pantoffelfüßig,
5225Durch Markt und Haufen
5226Einher zu laufen.
5227Gaffend zu stehen,
5228Uns anzukrähen;
5229Auf solche Klänge
5230Durch Drang und Menge
5231Aalgleich zu schlüpfen,
5232Gesammt zu hüpfen,
5233Vereint zu toben.
5234Ihr mögt uns loben,
5235Ihr mögt uns schelten
5236Wir lassens gelten.
∞Parasiten
∞schmeichelnd-lüstern
5237Ihr wackern Träger
5238Und eure Schwäger,
5239Die Kohlenbrenner,
5240Sind unsre Männer.
5241Denn alles Bücken,
5242Bejah’ndes Nicken,
5243Gewundne Phrasen,
5244Das Doppelblasen,
5245Das wärmt und kühlet
5246Wie’s einer fühlet,
5247Was könnt es frommen?
5248Es möchte Feuer
5249Selbst ungeheuer
5250Vom Himmel kommen,
5251Gäb’ es nicht Scheite
5252Und Kohlentrachten
5253Die Heerdesbreite
5254Zur Glut entfachten.
5255Da brät’s und prudelt’s,
5256Da kocht’s und strudelt’s.
5257Der wahre Schmecker,
5258Der Tellerlecker,
5259Er riecht den Braten,
5260Er ahnet Fische;
5261Das regt zu Thaten
5262An Gönners Tische.
∞Trunkner
∞unbewußt
5263Sey mir heute nichts zuwider!
5264Fühle mich so frank und frey;
5265Frische Lust und heitre Lieder5265 Lust ] 2 I H.15b Luft : Lust
G
2 I H.15b
Luft 2 H
2 I H.0a
C1 41
C3 41
Lust zS 2 H
Q
(II b, VI)
5266Holt’ ich selbst
sie doch herbey.
5267Und so trink’
ich! trinke, trinke.
5268Stoßet an ihr! Tinke, Tinke!
5269Du dorthinten komm heran!
5270Stoßet an, so ists gethan.
5271Schrie mein Weibchen doch entrüstet,
5272Rümpfte diesem bunten Rock,
5273Und, wie sehr ich mich gebrüstet,
5274Schalt mich einen Maskenstock.
5275Doch ich trinke! Trinke, Trinke!
5276Angeklungen! Tinke, Tinke!
5277Maskenstöcke stoßet an!
5278Wenn es klingt so ists gethan.
5279Saget nicht daß ich verirrt bin,
5280Bin ich doch wo mir’s behagt.
5281Borgt der Wirth nicht, borgt die Wirthin,
5282Und am Ende kneipt die Magd.5282 kneipt ] 2 I H.0a kneipt 2 I H.15b 2 H 2 I H.0a
borgt Ec 2 H
(VI)
5283Immer trink’
ich! Trinke, Trinke!
5284Auf ihr Andern! Tinke, Tinke!
5285Jeder jedem! so fortan!
5286Dünkt mich’s doch es sey gethan.
∞Chor
∞Der Herold Kündigt verschiedene Poeten an. Naturdichter, Hof- und Rittersänger, zärtliche so
wie Enthusiasten. Im Gedräng von Mitwerbern aller Art, läßt keiner den Andern zum
Vortrag kommen. Einer schleicht mit wenigen Worten vorbey.vor 5295 vorbey ] 2 H vorüber 2 I H.0a
(II aa)
∞Satyriker
∞Die Nacht- und Grabdichter lassen sich
entschuldigen, weil sie so eben im interessantesten Gespräch mit
einem frischerstandenen Vampyren begriffen seyen; woraus eine neue Dichtart sich
vielleicht entwickeln könnte; der Herold muß es gelten lassen und
ruft indessen die griechische Mythologie hervor, die, selbst in
moderner Maske, weder Charakter noch Gefälliges verliert.
∞Die Grazien
∞Die
Parzen
∞Atropos
5305Mich die älteste zum Spinnen
5306Hat man diesmal eingeladen;
5307Viel zu denken, viel zu sinnen
5308Giebts beym zarten Lebensfaden.
∞Klotho
5317Wißt in diesen letzten Tagen
5318Ward die Scheere mir vertraut;
5319Denn man war von dem Betragen
5320Unsrer Alten nicht erbaut.
5321Zerrt unnützeste Gespinnste
5322Lange sie an Licht und Luft,
5323Hoffnung herrlichster Gewinnste
5324Schleppt sie schneidend zu der Gruft.
∞Lachesis
5333Mir, die ich allein verständig,
5334Blieb das Ordnen zugetheilt;
5335Meine Weife, stets lebendig,
5336Hat noch nie sich übereilt.
∞Herold
5345Die jetzo kommen werdet ihr nicht kennen,
5346Wärt ihr noch so gelehrt in alten Schriften;
5347Sie anzusehn die so viel Übel
stiften
5348Ihr würdet sie willkommne Gäste nennen.
5357Was hilft es euch, ihr werdet uns vertrauen,
5358Denn wir sind hübsch und jung und
Schmeichelkätzchen,
5359Hat einer unter euch ein Liebe-Schätzchen;
∞Megära
5369Das ist nur Spaß! denn, sind sie erst verbunden,
5370Ich nehm’ es
auf, und weis in allen Fällen,
5371Das schönste Glück durch Grille zu
vergällen;
5372Der Mensch ist ungleich, ungleich sind die
Stunden.
∞Tisiphone
5381Gift und Dolch statt böser Zungen
5382Misch’ ich
schärf’ ich dem
Verräther;
5383Liebst du andre, früher, später
5384Hat Verderben dich durchdrungen.
∞Herold
5393Belieb’ es euch zur
Seite wegzuweichen,
5394Denn was jetzt kommt ist nicht von eures Gleichen.
5395Ihr seht wie sich ein Berg herangedrängt,
5396Mit bunten Teppichen die Weichen stolz behängt,
5397Ein Haupt mit langen Zähnen, Schlangenrüssel,
5398Geheimnißvoll, doch zeig’ ich euch den Schlüssel.
5399Im Nacken sitzt ihm zierlich-zarte Frau,
5400Mit feinem Stäbchen lenkt sie ihn genau,
5401Die andre droben stehend herrlich-hehr,
5402Umgiebt ein Glanz der blendet mich zu sehr.
5403Zur Seite gehn gekettet edle Frauen,
5404Die eine bang, die andre froh zu schauen,
5405Die eine wünscht, die andre fühlt sich frey,
5406Verkünde jede wer sie sey.
∞Furcht
5407Dunstige Fackeln, Lampen, Lichter,
5408Dämmern durchs verworrne Fest,
5409Zwischen diese Truggesichter
5410Bannt mich ach die Kette fest.
5411Fort, ihr lächerlichen Lacher!
5412Euer Grinsen giebt Verdacht;
5413Alle meine Widersacher
5414Drängen mich in dieser Nacht.
∞Hoffnung
5423Seyd gegrüßt ihr lieben Schwestern,
5424Habt ihr euch schon heut und gestern
5425In Vermumungen gefallen,
5426Weis ich doch gewiß von allen
5427Morgen wollt ihr euch enthüllen.
5428Und wenn wir bey Fackelscheine
5429Uns nicht sonderlich behagen,
5430Werden wir in heitern Tagen,
5431Ganz nach unserm eignen Willen,
5432Bald gesellig, bald alleine
5433Frey durch schöne Fluren wandeln,
5434Nach Belieben ruhn und handeln
5435Und in sorgenfreyem Leben,
5436Nie entbehren, stets erstreben;
5437Überall willkommne Gäste
5438Treten wir getrost hinein:
5439Sicherlich es muß das Beste
5440Irgendwo zu finden seyn.
∞Klugheit
5442Furcht und Hoffnung angekettet,
5443Halt’ ich ab von
der Gemeinde;
5444Platz gemacht! ihr seyd gerettet.
5445Den lebendigen Colossen
5446Führ’ ich, seht
ihr, thurmbeladen
5447Und er wandelt unverdrossen
5448Schritt vor Schritt auf steilen Pfaden.
∞Zoilo-Thersites
5457Hu! Hu! da komm’ ich
eben recht,
5458Ich schelt’ euch allzusammen schlecht!
5459Doch was ich mir zum Ziel ersah
5460Ist oben Frau Victoria,
5461Mit ihrem weißen Flügelpaar,
5462Sie dünkt sich wohl sie sey ein Aar.
5463Und wo sie sich nur hingewandt
5464Gehör’ ihr alles
Volk und Land;
5465Doch, wo was Rühmliches gelingt
5466Es mich sogleich in Harnisch bringt.
5467Das Tiefe hoch, das
Hohe tief,
5468Das Schiefe grad, das Grade schief,
5469Das ganz allein macht mich gesund
5470So will ich’s auf
dem Erdenrund.
∞Herold
5471So treffe dich, du Lumpenhund,
5472Des frommen Stabes Meisterstreich,
5473Da krümm’ und winde
dich sogleich! –
5474Wie sich die Doppelzwerggestalt
5475So schnell zum eklen Klumpen ballt! –
5476– Doch Wunder! – Klumpen wird zum Ey,
5477Das bläht sich auf und platzt entzwey.
5478Nun fällt ein Zwillingspaar heraus,
5479Die Otter und die Fledermaus;
5480Die eine fort im Staube kriecht,
5481Die andre schwarz zur Decke fliegt.
5482Sie eilen draußen
zum Verein,
5483Da möcht’ ich nicht
der Dritte seyn.
∞Gemurmel
∞Herold
5494Seit mir sind bey Maskeraden
5495Heroldspflichten aufgeladen,
5496Wach’ ich ernstlich
an der Pforte,
5497Daß euch hier am lustigen Orte
5498Nichts Verderbliches erschleiche,
5499Weder wanke, weder weiche.
5500Doch ich fürchte durch die Fenster
5501Ziehen luftige Gespenster,
5502Und von Spuk und Zaubereyen
5503Wüßt’ ich euch nicht
zu befreyen.
5504Machte sich der Zwerg verdächtig,
5505Nun! dort hinten strömt es mächtig.
5506Die Bedeutung der Gestalten
5507Möcht’ ich amtsgemäß
entfalten.
5508Aber was nicht zu begreifen
5509Wüßt’ ich auch nicht
zu erklären,
5510Helfet alle mich belehren! –
5511Seht ihr’s durch die Menge schweifen? –
5512Vierbespannt ein prächtiger Wagen
5513Wird durch alles durchgetragen;
5514Doch er theilet nicht die Menge,
5515Nirgend seh’ ich ein
Gedränge.
5516Farbig glitzert’s in
der Ferne,
5517Irrend leuchten bunte Sterne,
5518Wie von magischer Laterne.
5520Platz gemacht! Mich schaudert’s!
∞Knabe
∞Wagenlenker
5520Halt!
5521Rosse hemmet eure Flügel,
5522Fühlet den gewohnten Zügel,
5523Meistert euch wie ich euch meistre,
5524Rauschet hin wenn ich begeistre –
5525Diese Räume laßt uns ehren,
5526Schaut umher wie sie sich mehren
5527Die Bewundrer, Kreis
um Kreise.
5528Herold auf! nach deiner Weise,
5529Ehe wir von euch entfliehen,
5530Uns zu schildern uns zu nennen;
5531Denn wir sind Allegorien
5532Und so solltest du uns kennen.
∞Herold
5535Man muß gestehn:
5536Erstlich bist du jung und schön.
5537Halbwüchsiger Knabe bist du; doch die Frauen
5538Sie möchten dich ganz ausgewachsen schauen.
5539Du scheinest mir ein künftiger Sponsirer
5540Recht so von Haus aus ein Verführer.
∞Herold
5543Der Augen schwarzer Blitz, die Nacht der Locken
5544Erheitert von juwelnem Band!
5545Und welch ein zierliches Gewand
5546Fließt dir von Schultern zu den Socken,
5547Mit Purpursaum und Glitzertand!
5548Man könnte dich ein Mädchen schelten,
5549Doch würdest du, zu Wohl und Weh,
5550Auch jetzo schon bey Mädchen gelten,
5551Sie lehrten dich das A. B. C.
∞Herold
5554Er scheint ein König reich und milde,
5555Wohl dem der seine Gunst erlangt!
5556Er hat nichts weiter zu erstreben,
5557Wo’s irgend fehlte späht sein Blick,
5558Und seine reine Lust zu geben
5559Ist größer als Besitz und Glück.
∞Herold
5562Das Würdige beschreibt sich nicht.
5563Doch das gesunde Mondgesicht,
5564Ein voller Mund, erblühte Wangen,
5565Die unterm Schmuck des Turbans prangen.
5566Im Faltenkleid ein reich Behagen!
5567Was soll ich von dem Anstand sagen?
5568Als Herrscher scheint er mir bekannt.
∞Knabe Lencker
5569Plutus, des Reichthums Gott genannt,
5570Derselbe kommt in Prunk daher,
5571Der hohe Kaiser wünscht ihn sehr.
∞Knabe Lenker
5573Bin die Verschwendung, bin die Poesie;
5574Bin der Poet, der sich vollendet
5575Wenn er sein
eigenst Gut
verschwendet.
5576Auch ich bin unermeßlich reich
5577Und schätze mich dem Plutus gleich,
5578Beleb’ und
schmück’ ihm Tanz und
Schmaus,
5579Das was ihm fehlt das theil’ ich aus.
∞Knabe Lenker
5582Hier seht mich nur ein Schnippchen schlagen,
5583Schon glänzt’s und glitzert’s um den Wagen.
5584Da springt eine Perlenschnur hervor
∞immerfort umherschnippend
5585Nehmt goldne Spange für Hals und Ohr;
5586Auch Kamm und Krönchen ohne Fehl,
5587In Ringen köstlichstes Juwel;
5588Auch Flämmchen spend’ ich
dann und wann,
5589Erwartend wo es zünden kann.
∞Herold
5590Wie greift und hascht die liebe Menge!
5591Fast kommt der Geber ins Gedränge.
5593Und alles hascht im weiten Raum.
5594Doch da erleb’ ich neue
Pfiffe;
5595Was einer noch so emsig griffe
5596Deß hat er wirklich schlechten Lohn,
5597Die Gabe flattert ihm davon.
5598Es löst sich auf das Perlenband,
5599Ihm krabbeln Käfer in der Hand,
5600Er wirft sie weg der arme Tropf,
5601Und sie umsummen ihm den Kopf.
5602Die andern statt solider Dinge
5603Erhaschen frevle Schmetterlinge.
5604Wie doch der Schelm so viel verheißt,
5605Und nur verleiht was golden gleißt!
∞Knabe Lenker
5606Zwar Masken, merk’ ich,
weist du zu verkünden,
5607Allein der Schaale Wesen zu ergründen
5608Sind Herolds Hofgeschäfte nicht;
5609Das fordert schärferes Gesicht.
5610Doch hüt’ ich mich vor jeder
Fehde;
5611An dich, Gebieter, wend ich Frag und Rede.
∞zu Plutus gewendet
5612Hast du mir nicht die Windesbraut
5613Des Viergespannes anvertraut?
5614Lenk’ ich nicht glücklich
wie du leitest?
5615Bin ich nicht da wohin du deutest?
5616Und wußt’ ich nicht auf
kühnen Schwingen
5617Für dich die Palme zu erringen?
5618Wie oft ich auch für dich gefochten,
5619Mir ist es jederzeit geglückt:
5620Wenn Lorbeer deine Stirne schmückt,
5621Hab’ ich ihn nicht mit Sinn
und Hand geflochten?
∞Plutus
5622Wenn’s nöthig ist daß ich
dir Zeugniß leiste,
5623So sag’ ich gern: Bist Geist
von meinem Geiste.
5624Du handelst stets nach meinem Sinn,
5625Bist reicher als ich selber bin.
5626Ich schätze, deinen Dienst zu lohnen,
5627Den grünen Zweig vor allen meinen Kronen,
5628Ein wahres Wort verkünd’ ich
allen:
5629Mein lieber Sohn an dir hab’
ich Gefallen.
∞Knabe Lenker
∞zur Menge
5630Die größten Gaben meiner Hand
5631Seht! hab’ ich ringsumher
gesandt.
5632Auf dem und jenem Kopfe glüht
5633Ein Flämmchen das ich angesprüht,
5634Von einem zu dem andern hüpft’s,
5635An diesem hält sich’s, dem entschlüpft’s,
5636Gar selten aber flammt’s
empor,
5637Und leuchtet rasch in kurzem Flor;
5638Doch vielen, eh mans noch erkannt,
5639Verlischt es, traurig ausgebrannt.
∞Weiber Geklatsch
∞Der Abgemagerte
5646Vom Leibe mir ekles Weibsgeschlecht!
5647Ich weis dir komm ich niemals recht. –
5648Wie noch die Frau den Heerd versah,
5649Da hies ich Avaritia;
5650Da stand es gut um unser Haus:
5651Nur viel herein, und nichts hinaus!
5652Ich eiferte für Kist und Schrein;
5653Das sollte wohl gar ein Laster seyn.
5654Doch als in allerneusten Jahren
5655Das Weib nicht mehr gewohnt zu sparen,
5656Und, wie ein jeder böser Zahler,5656 böser ] 2 I H.0a böser 2 I H.24c 2 H C1 41 C3 41
böse zS 2 H Q
(VI)
5657Weit mehr Begierden hat als Thaler,
5658Da bleibt dem Manne viel zu dulden,
5659Wo er nur hinsieht da sind Schulden.
5660Sie wendet’s, kann sie was
erspulen,
5661An ihren Leib, an ihren
Buhlen;
5662Auch speist sie besser, trinkt noch mehr
5663Mit der Sponsirer leidigem Heer;
5664Das steigert mir des Goldes Reiz:
5665Bin männlichen Geschlechts, der Geiz!
∞Hauptweib
5666Mit Drachen mag der Drache geitzen,
5667Ist’s doch am Ende Lug und Trug!
5668Er kommt die Männer aufzureizen,
5669Sie sind schon unbequem genug.
∞Weiber in Masse
∞Herold
5675Bey meinem Stabe! Ruh gehalten! –
5676Doch braucht es meiner Hülfe kaum,
5677Seht wie die grimmen Ungestalten
5678Bewegt im rasch gewonnenen Raum
5679Das Doppel-Flügelpaar entfalten.
5680Entrüstet schütteln sich der Drachen
5681Umschuppte, feuerspeiende Rachen;
5682Die Menge flieht, rein ist der Platz.
∞Plutus steigt vom
Wagen
∞Herold
5683Er tritt herab wie königlich!
5684Er winkt, die Drachen rühren sich,
5685Die Kiste haben sie vom Wagen
5686Mit Gold und Geitz herangetragen,
5687Sie steht zu seinen Füßen da:
5688Ein Wunder ist es wie’s geschah.
∞Plutus
∞zum Lenker
5689Nun bist du los der alzulästigen Schwere,
5690Bist frey und frank, nun frisch zu deiner Sphäre!
5691Hier ist sie nicht! Verworren, schäckig, wild
5692Umdrängt uns hier ein frazzenhaft Gebild.
5693Nur wo du klar ins holde Klare schaust,
5694Dir angehörst und dir allein vertraust,
5695Dorthin wo Schönes Gutes nur gefällt,
5696Zur Einsamkeit! – Da schaffe deine Welt.
∞Knabe Lenker
5697So acht’ ich mich als
werthen Abgesandten,
5698So lieb’ ich dich als
nächsten Anverwandten.
5699Wo du verweilst ist Fülle, wo ich bin
5700Fühlt jeder sich im herrlichsten Gewinn;
5701Auch schwankt er oft im widersinnigen Leben:
5702Soll er sich dir? soll er
sich mir ergeben?
5703Die deinen freylich können müssig ruhn,
5704Doch wer mir folgt hat immer was zu thun.
5705 Nicht ins Geheim
vollführ’ ich meine Thaten,
5706Ich athme nur und schon bin ich verrathen.
5707So lebe wohl! du gönnst mir ja mein Glück,5707 wohl! du‸
] 2 I H.32
wohl‸ du‸ : wohl! du‸
G 2 I H.32
wohl! du, 2 H
2 I H.0a
wohl! Du‸
C.1 12
C.3 12
(II b)
5708Doch lisple leis’ und gleich bin ich zurück.
∞ab wie er kam
∞Plutus
5709Nun ist es Zeit die Schätze zu entfesseln!
5710Die Schlösser treff’ ich mit
des Herolds Ruthe.
5711Es thut sich auf! schaut her! in ehrnen Kesseln
5712Entwickelt sichs und wallt von goldnem Blute,
5713Zunächst der Schmuck von Kronen, Ketten, Ringen;
5714Es schwillt und droht ihn schmelzend zu
verschlingen.
∞Wechselgeschrey der Menge
5716Die Kiste bis zum Rande füllt. –
5717Gefäße goldne schmelzen sich,
5718Gemünzte Rollen wälzen sich. –
5719Dukaten hüpfen wie geprägt,
5720O wie mir das den Busen regt –
5721Wie schau ich alle mein Begehr!
5722Da kollern sie am Boden her. –
5723Man bietet’s euch, benutzts nur gleich
5724Und bückt euch nur und werdet reich. –
5725Wir andern, rüstig wie der Blitz,
5726Wir nehmen den Koffer in Besitz.
∞Herold
5727Was soll’s ihr Thoren? soll mir das?
5728Es ist ja nur ein Maskenspas.
5729Heut Abend wird nicht mehr begehrt;
5730Glaubt ihr man geb euch Gold und Werth?
5731Sind doch für euch in diesem Spiel
5732Selbst Rechenpfennige zuviel.
5733Ihr Täppischen! ein artiger Schein
5734Soll gleich die plumpe Wahrheit seyn.
5735Was soll euch Wahrheit? – dumpfen Wahn
5736Packt ihr an allen Zipfeln an. –
5737Vermumter Plutus, Maskenheld,
5738Schlag dieses Volk mir aus dem Feld.
∞Plutus
5739Dein Stab ist wohl dazu bereit,
5740Verleih’ ihn mir auf kurze
Zeit. –
5741Ich tauch’ ihn rasch in Sud
und Glut. –
5742Nun! Masken seyd auf eurer Hut.
5743Wie’s blitzt und platzt, in Funken sprüht!
5744Der Stab schon ist er angeglüht.
5745Wer sich zu nah herangedrängt
5746Ist unbarmherzig gleich versengt. –
5747Jetzt fang’ ich meinen
Umgang an.
∞Geschrey und Gedräng
∞Plutus
5757Schon ist der Kreis zurückgedrängt
5758Und niemand glaub’ ich ist
versengt
5759Die Menge weicht;
5760Sie ist verscheucht. –
5761Doch solcher Ordnung Unterpfand
5762Zieh’ ich ein unsichtbares
Band.
∞Geiz
5767So kann man doch, wenn es
beliebt,
5768Vergnüglich diesen Kreis beschauen;
5769Denn immerfort sind vornen an die Frauen
5770Wo’s was zu gaffen was zu
naschen giebt.
5771Noch bin ich nicht so völlig eingerostet:
5772Ein schönes Weib ist immer schön;
5773Und heute weil es mich nichts kostet,
5774So wollen wir getrost sponsiren gehn.
5776Nicht jedem Ohr vernehmlich alle Worte,
5777Versuch’ ich klug und
hoff’ es soll mir glücken,
5778Mich pantomimisch deutlich auszudrücken.
5779Hand, Fuß, Gebärde reicht mir da nicht hin,
5780Da muß ich mich um einen Schwank bemühn.
5781Wie feuchten Thon will ich das Gold behandeln,
5782Denn dies Metall läßt sich in alles wandeln.
∞Herold
5783Was fängt der an der magre Thor!
5784Hat so ein Hungermann Humor?
5785Er knetet alles Gold zu Teig,
5786Ihm wird es untern Händen weich,
5787Wie er es drückt und wie es ballt
5788Bleibt’s immer doch nur ungestalt.
5789Er wendet sich zu den Weibern dort,
5790Sie schreyen alle, möchten fort,
5791Gebärden sich gar widerwärtig;
5792Der Schalk erweist sich übelfertig.
5793Ich fürchte daß er sich ergötzt
5794Wenn er die Sittlichkeit verletzt.
5795Dazu darf ich nicht schweigsam bleiben,
5796Gieb meinen Stab, ihn zu vertreiben.
∞Plutus
5797Er ahnet nicht was uns von außen droht;
5798Laß ihn die Narrentheidung treiben,
5799Ihm wird kein Raum für seine Possen bleiben;
5800Gesetz ist mächtig, mächtiger ist die Noth.
∞Plutus
5807Ich kenn’ euch wohl und
euren großen Pan!
5808Zusammen habt ihr kühnen Schritt gethan.
5809Ich weis recht gut was nicht ein jeder weis,
5811Mag sie ein gut Geschick
begleiten!
5812Das Wunderlichste kann geschehn;
5813Sie wissen nicht wohin sie schreiten,
5814Sie haben sich nicht vorgesehn.
∞Wildgesang
∞Faunen
5819Die Faunenschaar
5820Im lustigen Tanz,
5821Den Eichenkranz
5822Im krausen Haar,
5823Ein feines zugespitztes Ohr
5824Dringt an dem Lockenkopf hervor,
5825Ein stumpfes Näschen, ein breit Gesicht
5826Das schadet alles bey Frauen nicht:
5827Dem Faun wenn er die Patsche reicht
5828Versagt die Schönste den Tanz nicht leicht.
∞Satyr
5829Der Satyr hüpft nun hinterdrein
5830Mit Ziegenfuß und dürrem Bein,
5831Ihm sollen sie mager und sehnig seyn.
5832Und gemsenartig auf Bergeshöhn,
5833Belustigt er sich umherzusehn.
5834In Freyheitsluft erquickt alsdann
5835Verhöhnt er Kind und Weib und Mann,
5836Die tief in Thales Dampf und Rauch
5837Behaglich meinen sie lebten auch,
5838Da ihm doch rein und ungestört
5839Die Welt dort oben allein gehört.
∞Gnomen
5840Da trippelt ein die kleine Schaar,
5841Sie hält nicht gern sich Paar und Paar;
5842Im moosigen Kleid mit Lämplein hell
5843Bewegt sichs durcheinander schnell,
5844Wo jedes für sich selber schafft,
5845Wie Leuchtameisen wimmelhaft;
5846Und wuselt emsig hin und her,
5847Beschäftigt in die Kreuz und Quer.
5848Den frommen Gütchen nah verwandt,
5849Als Felschirurgen wohl bekannt;
5850Die hohen Berge schröpfen wir,
5851Aus vollen Adern schöpfen wir;
5852Metalle stürzen wir zu Hauf,
5853Mit Gruß getrost: Glück auf! Glück auf!
5854Das ist von Grund aus wohlgemeynt:
5855Wir sind der guten Menschen Freund.
5856Doch bringen wir das Gold zu Tag
5857Damit man stehlen und kuppeln mag,
5858Nicht Eisen fehle dem stolzen Mann,
5859Der allgemeinen Mord ersann.
5860Und wer die drey Gebot veracht
5861Sich auch nichts aus den andern macht.
5862Das alles ist nicht unsre Schuld,
5863Drum habt sofort wie wir Geduld.
∞Riesen
5864Die wilden Männer sind’s
genannt,
5865Am Harzgebirge wohl bekannt,
5866Natürlich nackt in aller Kraft,
5867Sie kommen sämtlich riesenhaft.
5868Den Fichtenstamm in rechter Hand
5869Und um den Leib ein wulstig Band,
5870Den derbsten Schurz von Zweig und Blatt,
5871Leibwache wie der Papst nicht hat.
∞Nymphen
∞im Chor
∞sie umschließen den großen Pan.
5872Auch kommt er an! –
5873Das All der Welt
5874Wird vorgestellt
5875Im großen Pan.
5876Ihr heitersten umgebet ihn,
5877Im Gaukeltanz umschwebet ihn,
5878Denn weil er ernst und gut dabey,
5879So will er daß man fröhlich sey.
5880Auch unterm blauen Wölbedach
5881Verhielt er sich beständig wach,
5882Doch rieseln ihm die Bäche zu,
5883Und Lüftlein wiegen ihn mild in Ruh.
5884Und wenn er zu Mittage schläft
5885Sich nicht das Blatt am Zweige regt,
5886Gesunder Pflanzen Balsamduft
5887Erfüllt die schweigsam stille Luft,
5888Die Nymphe darf nicht munter seyn
5889Und wo sie stand da schläft sie ein.
58905890 In 2 I H.41a ist der Beginn der neuen Versgruppe mit einem Abstand markiert.
In 2 H und 2 I H.0a ist kein Abstand erkennbar (Seitenwechsel).
(II b)Wenn unerwartet mit Gewalt
5891Dann aber seine Stimm erschallt,
5892Wie Blitzes Knattern, Meergebraus,
5894Zerstreut sich tapfres Heer im Feld
5895Und im Getümmel bebt der Held.
5897Und Heil ihm der uns hergeführt!
∞Deputation der Gnomen
∞an den großen Pan
5898Wenn das glänzend reiche Gute
5899Fadenweis durch Klüfte streicht,
5900Nur der klugen Wünschelruthe
5901Seine Labyrinthe zeigt,
∞Plutus
∞zum Herold
5914Wir müssen uns im hohen Sinne fassen
5915Und was geschieht getrost geschehen lassen,
5916Du bist ja sonst des stärksten Muthes voll.
5917Nun wird sich gleich ein Gräulichstes eräugnen,
5918Hartnäckig wird es Welt und Nachwelt läugnen:
5919Du schreib’ es treulich in
dein Protokoll.
∞Herold
∞den Stab anfassend, welchen
Plutus in der Hand behält
5920Die Zwerge führen den großen Pan
5921Zur Feuerquelle sacht heran,
5922Sie siedet auf vom tiefsten Schlund,
5923Dann sinkt sie wieder hinab zum Grund,
5924Und finster steht der offne Mund;
5925Wallt wieder auf in Glut und Sud,5925 Glut und Sud ] 2 I H.0a Glut und Sud 2 I H.41a
Sud und Glut 2 H
Glut und Sud 2 I H.0a
(VII)
5926Der große Pan steht wohlgemuth
5927Freut sich des wundersamen Dings.
5930Er bückt sich tief hinein zu schaun. –
5931Nun aber fällt sein Bart hinein! –
5932Wer mag das glatte Kinn wohl seyn?
5933Die Hand verbirgt es unserm Blick. –
5934Nun folgt ein großes Ungeschick
5935Der Bart entflammt und fliegt zurück.
5936Entzündet Kranz und Haupt und Brust,
5937Zu Leiden wandelt sich die Lust. –
5938Zu löschen läuft die Schaar herbey,
5939Doch keiner bleibt von Flammen frey,
5940Und wie es patscht und wie es schlägt
5941Wird neues Flammen aufgeregt;
5942Verflochten in das Element
5943Ein ganzer Maskenklump verbrennt.
59445944
Der Beginn der neuen Versgruppe ist in 2 H durch Einrückung des Verses
markiert.
Die Einrückung fehlt in 2 I H.0a.
(II aa)Was aber hör’ ich wird
uns kund
5945Von Ohr zu Ohr, von Mund
zu Mund!
5946„O ewig unglückselge
Nacht
5947Was hast du uns für Leid gebracht!
5948Verkünden wird der nächste Tag
5949Was niemand willig hören mag;
5950Doch hör’ ich aller
Orten schreyn
5951„Der
Kaiser“ leidet
solche Pein.
5952O wäre doch ein andres wahr!
5953Der Kaiser brennt und seine Schaar.
5954Sie sey verflucht die ihn
verführt,
5955In harzig Reis sich eingeschnürt,
5956Zu toben her mit Brüll-Gesang
5957Zu allerseitigem Untergang.
5958O Jugend Jugend wirst du nie
5959Der Freude reines Maas bezirken?
5960O Hoheit Hoheit wirst du nie
5961Vernünftig wie allmächtig wirken?
∞Plutus
5970Schrecken ist genug verbreitet,
5971Hülfe sey nun eingeleitet! –
5972Schlage heilgen Stabs Gewalt,
5973Daß der Boden bebt und schallt!
5974Du geräumig weite Luft
5975Fülle dich mit kühlem Duft;
5976Zieht heran,
umherzuschweifen,
5977Nebeldünste, schwangre
Streifen,
5978Deckt ein flammendes Gewühl;
5979Rieselt, säuselt, Wölkchen kräuselt,
5980Schlüpfet wallend, leise dämpfet,
5981Löschend überall bekämpfet,
5982Ihr, die lindernden, die
feuchten,
5983Wandelt in ein Wetterleuchten
5984Solcher eitlen Flamme Spiel. –
5985Drohen Geister uns zu schädigen
5986Soll sich die Magie bethätigen.
∞
∞Lustgarten
∞Morgensonne
∞Der Kayser, Hofleute; Faust, Mephistopheles, anständig, nicht auffallend, nach Sitte gekleidet, beyde
knieen.
∞Kayser
∞zum Aufstehen
winkend
5988Ich wünsche mir dergleichen Scherze viel. –
5989Auf einmal sah ich mich in glüh’nder Sphäre,
5990Es schien mir fast als ob ich Pluto wäre.
5991Aus Nacht und Kohlen lag ein Felsengrund,
5992Von Flämmchen glühend. Dem und jenem Schlund
5993Aufwirbelten viel tausend wilder Flammen5993 wilder ] 2 I H.43a wilder G 2 I H.43 G 2 I H.43a
wilde 2 H 2 I H.0a
(II b)
5994Und flackerten in Ein Gewölb zusammen.
5995Zum höchsten Dome züngelt’
es empor,
5996Der immer ward und immer sich verlor.
5997Durch fernen Raum gewundner Feuersäulen
5998Sah ich bewegt der Völker lange Zeilen,
5999Sie drängten sich im weiten Kreis heran
6000Und huldigten, wie sie es stets gethan.
6001Von meinem Hof’ erkannt’ ich ein und andern,
6002Ich schien ein Fürst von tausend Salamandern.
∞Mephistopheles
6003Das bist du, Herr! weil jedes Element
6004Die Majestät als unbedingt erkennt.
6005Gehorsam Feuer hast du nun erprobt;
6006Wirf dich ins Meer wo es am wildsten tobt,
6007Und kaum betritst du
perlenreichen Grund,
6008So bildet wallend sich ein herrlich Rund;
6009Siehst auf und ab lichtgrüne schwanke Wellen,
6010Mit Purpursaum, zur schönsten Wohnung schwellen,
6011Um dich, den Mittelpunct.
Bey jedem Schritt,
6012Wohin du gehst, gehn die
Palläste mit.
6013Die Wände selbst erfreuen sich des Lebens,
6014Pfeilschnellen Wimmlens, Hin- und Widerstrebens.
6015Meerwunder drängen sich zum neuen milden Schein,
6017Da spielen farbig goldbeschuppte Drachen,
6018Der Hayfisch klafft, du lachst ihm in den Rachen.
6019Wie sich auch jetzt der Hof um dich entzückt,
6020Hast du doch nie ein solch Gedräng’ erblickt.
6021Doch bleibst du nicht vom Lieblichsten geschieden:
6022Es nahen sich neugierige Nereiden
6023Der prächtigen Wohnung in der ewigen Frische,
6024Die jüngsten scheu und lüstern wie die Fische,
6025Die spätern klug.
Schon wird es Thetis kund,
6026Dem zweyten Peleus reicht sie Hand und Mund. –
6027Den Sitz alsdann auf des Olymps Revier . . .
∞Kaiser
6031Welch gut Geschick hat dich hieher gebracht?
6032Unmittelbar aus Tausend Einer Nacht.
6033Gleichst du an Fruchtbarkeit Scheherazaden,
6034Versichre ich dich der höchsten aller Gnaden.
6035Sey stets bereit, wenn eure
Tageswelt,
6036Wie’s oft geschieht, mir widerlichst mißfällt.
∞Marschalk
∞tritt eilig auf
6037Durchlauchtigster, ich dacht’ in meinem Leben
6038
Vom schönsten Glück Verkündung nicht zu geben
6039
Als diese, die mich hoch beglückt,
6040In deiner Gegenwart entzückt.
6041Rechnung für Rechnung ist berichtigt,
6042Die Wucherklauen sind beschwichtigt,
6043Los bin ich solcher Höllenpein;
6044Im Himmel kanns nicht heitrer seyn.
∞Heermeister
∞folgt eilig
6045Abschläglich ist der Sold entrichtet,
6046Das ganze Heer aufs neu verpflichtet,
6047Der Lanzknecht fühlt sich frisches Blut,
6048Und Wirth und Dirnen habens gut.
∞Kaiser
6049Wie athmet eure Brust erweitert!
6050Das faltige Gesicht erheitert!
6051Wie eilig tretet ihr heran!
∞Canzler
∞der langsam herankommt
6054Beglückt genug in meinen alten Tagen. –
6055So hört und schaut das schicksalschwere Blatt,
6056Das alles Weh in Wohl verwandelt hat.
∞er liest.
6057„Zu wissen sey es jedem ders begehrt:
6058Der Zettel hier ist tausend Kronen werth.
6059Ihm liegt gesichert als gewisses Pfand
6060Unzahl vergrabnen Guts im Kaiserland.
6061Nun ist gesorgt damit der reiche Schatz,
6062Sogleich gehoben, diene zum Ersatz.“
∞Kaiser
6063Ich ahne Frevel, ungeheuren Trug!
6064Wer fälschte hier des Kaisers Namenszug?
6065Ist solch Verbrechen ungestraft geblieben?
∞Schatzmeister
6066Erinnre dich! hast selbst es unterschrieben;
6067Erst heute Nacht. Du standst als großer Pan,
6068Der Kanzler sprach mit uns zu dir heran:
6069„Gewähre dir das hohe Festvergnügen,
6070Des Volkes Heil, mit wenig Federzügen.“
6071Du zogst sie rein, dann wards in dieser Nacht
6072Durch Tausendkünstler schnell vertausendfacht.
6073Damit die Wohlthat allen gleich gedeihe
6074So stempelten wir gleich die
ganze Reihe,
6075Zehn, dreyßig, Funfzig, hundert sind parat.
6076Ihr denkt euch nicht wie wohl’s dem Volke
that.
6077Seht eure Stadt, sonst halb im Tod
verschimmelt,
6078Wie alles lebt und lustgenießend wimmelt!
6079Obschon dein Name längst die Welt beglückt,
6080Man hat ihn nie so freundlich angeblickt.
6081Das Alphabet ist nun erst überzählig
6082In diesem Zeichen wird nun jeder selig.
∞Kaiser
6083Und meinen Leuten gilts für gutes Gold?
6084Dem Heer, dem Hofe gnügts zu vollem Sold?
6085So sehr michs wundert muß ichs gelten lassen.
∞ Marschalckvor 6086 Marschalck ] 2 H Schatzmeister : Marschalck
(Schatzmeister ungestrichen) G
2 H
(VII)
6086Unmöglich wär’s die Flüchtigen einzufassen;
6087Mit Blitzeswink zerstreute sichs im Lauf.
6088Die Wechsler-Bänke stehen sperrig auf,
6089Man honorirt daselbst ein jedes Blatt
6090Durch Gold und Silber, freylich mit Rabat.
6091Nun gehts von da zum Fleischer, Bäcker, Schenken;
6092Die halbe Welt scheint nur an Schmaus zu denken,
6093Wenn sich die andre neu in Kleidern bläht.
6094Der Krämer schneidet aus, der Schneider näht.
6095Bey: „hoch dem Kaiser!“ sprudelts in den Kellern,
6096Dort kochts und bräts und klappert mit den Tellern.
6097Wer die Terrassen einsam abspaziert
6098Gewahrt die Schönste, herrlich aufgeziert.
6099Ein Aug’ verdeckt vom stolzen Pfauenwedel,
6100Sie schmunzelt uns und blickt nach solcher
Schedel;
6101Und hurt’ger als durch Witz und Redekunst
6102Vermittelt sich die reichste Liebesgunst.
6103Man wird sich nicht mit Börs’ und Beutel plagen,
6104Ein Blättchen ist im Busen leicht zu tragen,
6105Mit Liebesbrieflein paarts bequem sich hier. –
6106Der Priester trägts andächtig im Brevier,
6107Und der Soldat, um rascher sich zu wenden,
6108Erleichtert schnell den Gürtel seiner Lenden.
6109Die Majestät verzeihe wenn ins Kleine
6110Das hohe Werk ich zu erniedern scheine.
∞Faust
6111Das Übermaas der Schätze,
das, erstarrt,
6112In deinen Landen tief im Boden harrt,
6113Liegt ungenutzt. Der weiteste Gedanke
6114Ist solches Reichthums kümmerlichste Schranke,
6115Die Phantasie, in ihrem höchsten Flug,
6116Sie strengt sich an und thut sich nie genug.
6117Doch fassen Geister, würdig tief zu schauen,
6118Zum Gränzenlosen gränzenlos Vertrauen.
∞
Mephistopheles
6119Ein solch Papier, an Gold und Perlen statt,
6120Ist so bequem, man weis doch was man hat,
6121Man braucht nicht erst zu markten noch zu tauschen,
6122Kann sich nach Lust in Lieb und Wein berauschen,
6123Will man Metall, ein Wechsler ist bereit,
6124Und fehlt es da, so gräbt man eine Zeit.
6125Pokal und Kette wird verauctionirt,
6127
Beschämt den Zweifler der uns frech verhöhnt.
6128Man will nichts anders, ist daran gewöhnt.
6129So bleibt von nun an allen Kaiser Landen
6130An Kleinod, Gold, Papier genug vorhanden.
∞Kaiser
6131Das hohe Wohl verdankt euch unser Reich,
6132Wo möglich sey der Lohn dem Dienste gleich.
6133Vertraut sey euch des Reiches inrer Boden,
6134Ihr seyd der Schätze würdigste Custoden.
6135Ihr kennt den weiten wohlverwahrten Hort,
6136Und wenn man gräbt so sey’s auf euer Wort.
6137Vereint euch nun ihr Meister unsres Schatzes,
6138Erfüllt mit Lust die Würden eures Platzes,
6139Wo mit der obern sich die Unterwelt,6139 obern ]
Obern : obern- (Bindestrich Fehlkorrektur) G 2 H
(I a)
6140In Einigkeit beglückt, zusammenstellt.
∞Schatzmeister
6141Soll zwischen uns kein fernster Zwist sich
regen,
6142Ich liebe mir den Zaubrer zum Collegen.
∞
ab mit Faust
∞Kaiser
6151Ich hoffte Lust und Muth zu neuen Thaten;
6152Doch wer euch kennt, der wird euch leicht errathen.
6153Ich merk’ es wohl, bey aller Schätze Flor
6154Wie ihr gewesen bleibt ihr nach wie vor.
∞
ab
∞
ab
∞
∞Finstere Gallerie
∞
Mephistopheles
6173Was ziehst du mich in diese
düstern Gänge?
6174Ist nicht da drinnen Lust genug,
6175Im dichten, bunten Hofgedränge
6176Gelegenheit zu Spas und Trug?
∞Faust
6177Sag mir das nicht, du hast’s in alten Tagen
6178Längst an den Solen abgetragen;
6179Doch jetzt, dein Hin- und Wiedergehn
6180Ist nur um mir nicht Wort zu stehn.
6181Ich aber bin gequält zu thun,
6182Der Marschalk und der Kämmrer treibt mich nun.
6183Der Kaiser will, es muß sogleich geschehn,
6184Will Helena und Paris vor sich sehn;
6185Das Musterbild der Männer, so der Frauen,
6186In deutlichen Gestalten will er schauen.
6187Geschwind ans Werk ich darf mein Wort nicht brechen.
∞Faust
6189Du hast, Geselle, nicht bedacht
6190Wohin uns deine Künste führen;
6191Erst haben wir ihn reich gemacht,
6192Nun sollen wir ihn amüsiren.
∞
Mephistopheles
6193Du wähnst es füge sich sogleich;
6194Hier stehen wir vor steilern Stufen,
6195Greifst in ein fremdestes Bereich,
6196Machst frevelhaft am Ende neue Schulden,
6197Denkst Helenen so leicht hervorzurufen
6198Wie das Papiergespenst der Gulden. –
6199Mit Hexen-Fexen, mit Gespenst-Gespinnsten,6199 Gespenst-Gespinnsten ] 2 I H.47 Gespinst-Gespinnsten 2 H
Gespenst-Gespinnsten vorschl Ri 2 H
(II aa, VII)
6200Kielkröpfigen Zwergen steh ich gleich zu Diensten;
6201Doch Teufels-Liebchen, wenn auch nicht zu schelten,
6202Sie können nicht für Heroinen gelten.
∞Faust
6203Da haben wir den alten Leyerton!
6204Bey dir geräth man stets ins Ungewisse.
6205Der Vater bist du aller Hindernisse,
6206Für jedes Mittel willst du neuen Lohn.
6207Mit wenig Murmeln, weiß ich,
ist’s gethan,
6208Wie man sich umschaut bringst du sie zur Stelle.
∞
Mephistopheles
6212Ungern entdeck’ ich höheres Geheimniß. –
6213Göttinnen thronen hehr in Einsamkeit,
6214Um sie kein Ort noch weniger eine Zeit,
6215Von ihnen sprechen ist Verlegenheit.
6216Die Mütter sind es!
∞
Mephistopheles
6218Das ist es auch. Göttinnen, ungekannt
6219Euch Sterblichen, von uns nicht gern genannt.
6220Nach ihrer Wohnung magst ins Tiefste schürfen;
6221Du selbst bist Schuld daß ihrer wir bedürfen.
∞
Mephistopheles
6222Kein Weg! Ins Unbetretene,
6224Nicht zu Erbittende. Bist du bereit? –
6225Nicht Schlösser sind, nicht Riegel wegzuschieben,
6226Von Einsamkeiten wirst umhergetrieben.
6227Hast du Begriff von Öd’ und Einsamkeit?
∞Faust
6228Du spartest dächt’ ich solche Sprüche,
6229Hier wittert’s nach der Hexenküche,
6230Nach einer längst vergangnen Zeit.
6231Mußt’ ich nicht mit der Welt verkehren,
6232Das Leere lernen, Leeres lehren? –
6233Sprach ich vernünftig wie ichs angeschaut,
6234Erklang der Widerspruch gedoppelt laut;
6235Mußt ich sogar vor widerwärtigen Streichen
6236Zur Einsamkeit, zur Wilderniß entweichen,
6237Und um nicht ganz versäumt, allein zu leben
6238Mich doch zuletzt dem Teufel übergeben.
∞
Mephistopheles
6239Und hättest du den Ocean durchschwommen
6240Das Gränzenlose dort geschaut,
6241So sähst du dort doch Well auf Welle kommen,
6242Selbst wenn es dir vorm Untergange graut.
6243Du sähst doch etwas. Sähst wohl in der Grüne
6244Gestillter Meere streichende Delphine,
6245Sähst Wolken ziehen, Sonne, Mond und Sterne;
6246Nichts wirst du sehn in ewig leerer Ferne,
6247Den Schritt nicht hören den du thust,
6248Nichts Festes finden wo du ruhst.
∞Faust
6249Du sprichst als erster aller Mystagogen,
6250Die treue Neophyten je betrogen;
6251Nur umgekehrt. Du sendest mich ins Leere,
6252Damit ich dort so Kunst als Kraft vermehre.
6253Behandelst mich, daß ich, wie jene Katze,
6254Dir die Kastanien aus den Gluten kratze.
6255Nur immer zu! wir wollen es ergründen,
6256In deinem Nichts hoff ich das All zu finden.
∞
Mephistopheles
6257Ich rühme dich eh du dich von mir trennst,
6258Und sehe wohl daß du den Teufel kennst;
6259Hier diesen Schlüssel nimm.
∞
Mephistopheles
6262Merkst du nun bald was man an ihm besitzt?
6263Der Schlüssel wird die rechte Stelle wittern,
6264Folg ihm hinab, er führt dich zu den Müttern.
∞Faust
∞schaudernd
6265Den Müttern! Trifft’s mich immer wie ein
Schlag!
6266Was ist das Wort das ich nicht hören mag?
∞
Mephistopheles
6268Willst du nur hören was du schon gehört?
6269Dich störe nichts wie es auch weiter klinge,
6270Schon längst gewohnt der wunderbarsten Dinge.
∞Faust
6271Doch im Erstarren such ich nicht mein Heil,
6272Das Schaudern ist der Menschheit bestes Theil;
6273Wie auch die Welt ihm das Gefühl vertheure,
6274Ergriffen, fühlt er tief das Ungeheure.
∞
Mephistopheles
6275Versinke denn! Ich könnt auch sagen: steige!
6276’S ist einerley. Entfliehe dem Entstandnen,
6277In der Gebilde losgebundne Räume,
6278Ergötze dich am längst nicht mehr Vorhandnen,
6279Wie Wolkenzüge schlingt sich das Getreibe,
6280Den Schlüssel schwinge, halte sie vom Leibe.
∞
Mephistopheles
6283Ein glühnder Dreyfuß thut dir endlich kund
6284Du seyst im tiefsten, allertiefsten Grund.
6285Bey seinem Schein wirst du die Mütter sehn,
6286Die einen sitzen, andre stehn und gehn,
6287Wie’s eben kommt. Gestaltung, Umgestaltung,
6288Des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung,
6289Umschwebt von Bildern aller
Creatur.
6290Sie sehn dich nicht, denn Schemen sehn sie nur.
6291Da faß ein Herz, denn die Gefahr ist groß,
6292Und gehe grad auf jenen Dreyfuß loß,
6293Berühr ihn mit dem Schlüssel!
∞Faust macht eine entschieden gebietende
Attitüde mit dem Schlüssel
∞
Mephistopheles
∞ ihn betrachtend
6293So ists recht! . . . .
6294Er schließt sich an, er folgt als treuer Knecht,
6295Gelassen steigst du, dich erhebt das Glück,
6296Und eh sie’s merken bist mit ihm zurück.
6297Und hast du ihn einmal hierher gebracht,
6298So rufst du Held und Heldin aus der Nacht,
6299Der erste der sich jener That erdreistet;
6300Sie ist gethan und du hast es geleistet,
6301Dann muß fortan, nach magischem Behandeln,
6302Der Weyrauchsnebel sich in Götter wandeln.
∞
Mephistopheles
6303Dein Wesen strebe nieder,
6304Versincke stampfend, stampfend steigst du wieder.
∞
Faust stampft und versinkt
∞
∞Hell erleuchtete Säale
∞Kaiser und Fürsten, Hof in Bewegung
∞Kämerer
∞zu Mephistopheles
6307Ihr seyd uns noch die Geisterscene schuldig;
6308Macht euch daran! der Herr ist ungeduldig.
∞Marschall
6309So eben fragt der Gnädigste
darnach;
6310
Ihr! zaudert nicht der Majestät zur Schmach.
∞
Mephistopheles
6311Ist mein Cumpan doch deshalb weggegangen,
6312Er weiß schon wie es anzufangen,
6313Und laborirt verschlossen still,
6314Muß ganz besonders sich befleißen;
6315Denn wer den Schatz, das Schöne, heben will
6316Bedarf der höchsten Kunst,
Magie der Weisen.
6319Ein Wort, mein Herr! Ihr seht ein klar Gesicht,
6320Jedoch so ist’s im leidigen Sommer nicht!
6321Da sprossen hundert bräunlich rothe Flecken,
6322Die zum Verdruß die weiße Haut bedecken.
6323Ein Mittel!
∞
Mephistopheles
6323Schade! So ein leuchtend Schätzchen,
6324Im May getupft wie euere Pantherkätzchen.
6325Nehmt Froschleich, Krötenzungen,
kohobirt,
6326Im vollsten Mondlicht sorglich distillirt;
6327Und, wenn er abnimmt, reinlich
aufgestrichen,
6328Der Frühling kommt, die Tupfen sind entwichen.
∞Braune
6329Die Menge drängt heran euch zu umschranzen.
6330Ich bitt’ um Mittel! Ein erfrorner Fuß
6331Verhindert mich am Wandeln wie am Tanzen,
6332Selbst ungeschickt beweg ich mich zum Gruß.
∞
Mephistopheles
6335Mein Fußtritt, Kind! hat Größres zu bedeuten.
6336
Zu Gleichem Gleiches; was auch einer litt;
6337Fuß heilet Fuß, so ists mit allen Gliedern.
6338Heran! Gebt acht! Ihr sollt es nicht erwiedern.
∞
Mephistopheles
6340Die Heilung nehmt ihr mit.
6341Du kannst nunmehr den Tanz nach Lust verüben,
6342Bey Tafel schwelgend füßle mit dem Lieben.
∞Dame
∞herandringend
6343Laßt mich hindurch! zu groß sind meine Schmerzen,
6344Sie wühlen siedend mir im tiefsten Herzen.
6345Bis gestern sucht Er Heil in meinen Blicken,
6346Er schwatzt mit ihr und wendet mir den Rücken.
∞
Mephistopheles
6347Bedenklich ist es, aber höre mich.
6348An ihn heran mußt du dich leise drücken,
6349Nimm diese Kohle, streich ihm einen Strich
6350Auf Ermel, Mantel, Schulter wie sichs macht;
6351Er fühlt im Herzen holden Reuestich.
6352Die Kohle doch mußt du sogleich verschlingen,
6353Nicht Wein, nicht Wasser an die Lippen bringen;
∞
Mephistopheles
∞entrüstet
6355Respect wo sichs gebührt!
6356Weit müßtet ihr nach solcher Kohle laufen;
6357Sie kommt von einem Scheiterhaufen
6358Den wir sonst emsiger angeschürt.
∞
nach 6358 Page.
nach 6358 Page.
6359Ich bin verliebt, man hält mich nicht für voll.
Meph.
(bey Seite)
6360Ich weiß nicht mehr wohin ich hören soll.
in Lücke erg Ec 2 H
(VI)6359Ich bin verliebt, man hält mich nicht für voll.
Meph.
(bey Seite)
6360Ich weiß nicht mehr wohin ich hören soll.
in Lücke erg Ec 2 H
(VI)6361Müßt euer Glück nicht auf die jüngste setzen.
6362Die Angejahrten wissen euch zu schätzen. –
vor 6363 (Andere drängen sich herzu) erg Ec 2 H
(VI)
6363Schon wieder Neue! Welch ein harter Strauß!
6364Ich helfe mir zuletzt mit Wahrheit aus;
6365Der schlechteste Behelf! Die Noth ist groß. –
6366O Mütter, Mütter! Laßt nur Fausten los!
∞umherschauend
6367Die Lichter brennen trübe schon im Saal,
6368Der ganze Hof bewegt sich auf einmal.
6369Anständig seh’ ich sie in Folge ziehn,
6370Durch lange Gänge, ferne Galerien.
6371Nun! sie versammeln sich im weiten Raum
6372Des alten Rittersaals, er
faßt sie kaum.
6373Auf breite Wände Teppiche
spendirt,
6374Mit Rüstung Eck und Nischen ausgeziert.
6375Hier braucht es, dächt’ ich, keine Zauberworte;
6376Die Geister finden sich von selbst zum Orte.
∞
∞Rittersaal
∞Dämmernde Beleuchtung, Kaiser und Hof, sind eingezogenvor 6377 Dämmernde ] Dammernde 2 H (I a)
∞Herold
6377Mein alt Geschäft, das Schauspiel anzukünden,
6378Verkümmert mir der Geister heimlich Walten;
6379Vergebens wagt man aus verständigen Gründen,
6380Sich zu erklären das verworrene Schalten.
6381Die Sessel sind, die Stühle schon zur Hand;
6382Den Kaiser setzt man grade vor die Wand;
6383Auf den Tapeten mag er da die Schlachten
6385Hier sitzt nun alles, Herr und Hof im Runde,
6386Die Bäncke drängen sich im Hintergrunde;
6387Auch Liebchen hat, in düstern Geisterstunden,
6388Zur Seite Liebchens lieblich Raum gefunden.
6389Und so, da alle schicklich Platz genommen,
6390Sind wir bereit, die Geister mögen kommen!
∞Posaunen
∞Astrolog
6391Beginne gleich das Drama seinen Lauf,
6392Der Herr befiehlts, ihr Wände thut euch auf!
6393Nichts hindert mehr, hier ist Magie zur Hand,
6394Die Tepp’che schwinden, wie gerollt vom Brand;
6395Die Mauer spaltet sich, sie kehrt sich um,
6396Ein tief Theater scheint sich aufzustellen,
6397Geheimnißvoll ein Schein uns zu erhellen,
6398
Und ich besteige das Proscenium.
∞
Mephistopheles
∞aus dem Soufleurloche
auftauchend
6399Von hier aus hoff’ ich allgemeine Gunst,
6400Einbläsereyen sind des
Teufels Redekunst.
∞zum Astrologen
6401Du kennst den Tackt in dem die Sterne gehn,
6402Und wirst mein Flüstern meisterlich verstehn.
∞Astrolog
6403Durch Wunderkraft erscheint alhier zur Schau,
6404Massiv genug, ein alter Tempelbau.
6405Dem Atlas gleich der einst den Himmel trug,
6406Steh’n, reihenweis, der Säulen hier genug;
6407Sie mögen wohl der Felsenlast genügen,
6408Da zweye schon ein groß Gebäude trügen.
∞Architekt
6409Das wär antik! ich wüßt’ es nicht zu preisen,
6410Es sollte plump und überlästig heißen.
6411Roh nennt man edel, unbehülflich groß.
6412Schmal-Pfeiler lieb’ ich, strebend,
gränzenlos;
6413Spitzbögiger Zenith erhebt den Geist;
6414Solch ein Gebäu erbaut uns allermeist.
∞Astrolog
6415Empfangt mit Ehrfurcht sterngegönnte Stunden;
6416Durch magisch Wort sey die Vernunft gebunden;
6417Dagegen weitheran bewege frey
6418Sich herrliche verwegne Phantasey.
6419Mit Augen schaut nun was ihr kühn begehrt,
6420Unmöglich ist’s, drum eben glaubenswerth.
∞
Faust steigt auf der andern Seite des Prosceniums herauf
∞Astrolog
6421Im Priesterkleid, bekränzt, ein Wundermann,
6422Der nun vollbringt was er getrost begann.
6423Ein Dreyfuß steigt mit ihm aus hohler Gruft,
6424Schon ahn’ ich aus der Schaale Weihrauchduft.
6425Er rüstet sich das hohe Werk zu segnen,
6426Es kann fortan nur glückliches begegnen.
∞Faust
∞großartig
6427In eurem Namen, Mütter, die ihr thront
6428Im Gränzenlosen, ewig einsam wohnt,
6429Und doch gesellig. Euer Haupt umschweben
6430Des Lebens Bilder, regsam, ohne Leben.
6431Was einmal war, in allem Glanz und Schein,
6432Es regt sich dort; denn es will ewig seyn.
6433Und ihr vertheilt es, allgewaltige Mächte,
6434Zum Zelt des Tages, zum Gewölb der Nächte.
6435Die einen faßt des Lebens holder Lauf,
6436Die andern sucht der kühne Magier auf;
6437In reicher Spende läßt er, voll Vertrauen,
6438Was jeder wünscht, das Wunderwürdige schauen.
∞Astrolog
6439Der glühnde Schlüssel rührt die Schaale kaum,
6440Ein dunstiger Nebel deckt sogleich den Raum.
6441Er schleicht sich ein, er wogt nach Wolkenart,
6442Gedehnt, geballt, verschränkt, getheilt, gepaart.
6443
Und nun erkennt ein Geister-Meister Stück!
6444So wie sie wandeln machen sie Musick.
6445Aus luftgen Tönen quillt ein Weisnichtwie,
6446Indem sie ziehn wird alles Melodie.
6448Ich glaube gar der ganze Tempel singt.
6449Das Dunstige senkt sich; aus dem leichten Flor
6450Ein schöner Jüngling tritt im Tackt hervor.
6451Hier schweigt mein Amt, ich brauch ihn nicht zu nennen,
6452Wer sollte nicht den holden Paris kennen!
∞Ritter
6459Den Schäferknecht glaub ich alhier zu spüren,
6460Vom Prinzen nichts und nichts von Hofmanieren.
∞Andrer
6461Eh nun! halb nackt ist wohl der Junge schön,
6462Doch müßten wir ihn erst im Harnisch sehn!
∞Junge Dame
∞entzückt
6473Zum Weyrauchsdampf was duftet so gemischt?
6474Das mir das Herz zum Innigsten erfrischt.
∞Älteste
6476Es ist des Wachsthums Blüte.
6477Im Jüngling als Ambrosia bereitet,
6478Und atmosphärisch ringsumher verbreitet.
∞
Mephistopheles
6479Das wär’ sie denn! Vor dieser hätt’ ich Ruh;
6480Hübsch ist sie wohl, doch sagt sie mir nicht zu.
∞Astrolog
6481Für mich ist diesmal weiter nichts zu thun,
6482Als Ehrenmann gesteh, bekenn ich’s nun.
6483Die Schöne kommt, und hätt’ ich Feuerzungen!
6484Von Schönheit ward von jeher viel gesungen;
6485Wem sie erscheint wird aus sich selbst entrückt,
6486Wem sie gehörte ward zu hoch beglückt.
∞Faust
6487Hab ich noch Augen? Zeigt sich tief im Sinn
6488Der Schönheit Quelle reichlichstens ergossen?
6489Mein Schreckensgang bringt seligsten Gewinn,
6490Wie war die Welt mir nichtig, unerschlossen!
6491Was ist sie nun seit meiner Priesterschaft?
6492Erst wünschenswerth, gegründet, dauerhaft!
6493Verschwinde mir des Lebens Athemkraft,
6494Wenn ich mich je von Dir zurückgewöhne! –
6495Die Wohlgestalt die mich voreinst entzückte,
6496In Zauberspiegelung beglückte,
6497War nur ein Schaumbild solcher Schöne! –
6498Du bist’s der ich die Regung aller Kraft,
6499Den Inbegriff der Leidenschaft,
6500Dir Neigung, Lieb, Anbetung, Wahnsinn zolle.
∞Diplomat
6504Fürstinnen hab ich dieser Art gesehn,
6505Mich däucht sie ist vom Kopf
zum Fuße schön.
∞Derselbe
6510Ganz recht! Die Göttin scheint herabzusinken,
6511Sie neigt sich über, seinen Hauch zu trinken;
6512Beneidenswerth! – Ein Kuß! – Das Maas ist voll.
∞Dame
6521Ich merke schon sie nimmt ihn in die Lehre;
6522In solchem Fall sind alle Männer dumm,
6523Er glaubt wohl auch daß er der erste wäre.
∞Gelahrter
6533Ich seh’ sie deutlich, doch gesteh’ ich
frey,
6534Zu zweiflen ist, ob sie die Rechte sey.
6535Die Gegenwart verführt ins Übertriebne,
6536Ich halte mich vor allem ans Geschriebne.
6537Da les’ ich denn: sie habe wirklich allen
6538Graubärten Trojas sonderlich gefallen;
6539Und, wie mich dünkt, vollkommen paßt das hier,
6540Ich bin nicht jung und doch gefällt sie mir.
∞Astrolog
6541Nicht Knabe mehr! Ein kühner Heldenmann
6542Umfaßt er sie, die kaum sich wehren kann.
6543Gestärkten Arms hebt er sie hoch empor,
6544Entführt er sie wohl gar?
∞Faust
6549Was Raub! Bin ich für nichts an dieser Stelle!
6550Ist dieser Schlüssel nicht in meiner Hand!
6551Er führte mich, durch Graus und Wog’ und Welle
6552Der Einsamkeiten, her zum festen Stand.6552 Stand ] 2 H Stand (undeutlich) 2 I H.48
2 I H.60
Strand konj Koch emend Erich
Schmidt (III *)
6553Hier faß ich Fuß! Hier sind es Wirklichkeiten,
6554Von hieraus darf der Geist mit Geistern streiten,
6555Das Doppelreich, das große, sich bereiten.
6556So fern sie war, wie kann sie näher seyn.
6557Ich rette sie und sie ist doppelt mein.
6558Gewagt! Ihr Mütter! Mütter müßt’s gewähren.
6559Wer sie erkannt der darf sie nicht entbehren.
∞Astrolog
6560Was thust du Fauste! Fauste! – Mit Gewalt
6561Faßt er sie an, schon trübt sich die Gestalt.
6562Den Schlüssel kehrt er nach dem Jüngling zu,
6563Berührt ihn! – Weh uns, Wehe! Nu! im Nu!
∞Explosion, Faust liegt am Boden. Die Geister gehen
in Dunst auf.
∞
Mephistopheles
∞der Fausten auf die Schulter
nimmt
6564Da habt ihr’s nun! Mit Narren sich beladen,
6565Das kommt zuletzt dem Teufel selbst zu Schaden.
∞Finsterniß, Tummult