[ Zeugnis Nr. 15: Knebel beschloß über Weimar zu reisen, um Wieland, dessen Dichtergrazie ihn vorzüglich anlockte, persönlich kennen zu lernen. Dieser, und die unsterbliche Herzogin Amalie, nahmen ihn äußerst freundlich auf und er verlebte vierzehn genußreiche Tage an diesem Hofe. Als er sich eben zur Abreise anschickte, wurde ihm durch den Minister von Fritsch die Stelle eines Hofmeisters bei dem zweiten Prinzen, Constantin, angetragen, allein er lehnte diesen und einen zweiten deshalb an ihn ergangenen Antrag ab, indem er seine Untauglichkeit zum Hofleben vorschützte, und reiste weiter. Kaum im elterlichen Hause angelangt, fand er einen Brief, in welchem die Herzogin ihm vorschlug, wenigstens zum Versuch nach Weimar zu kommen. Auf Anrathen seiner Schwester, die ihm in allen Fällen als Orakel galt, nahm er diesen Vorschlag an und ging nach Weimar. Alle Bedingungen, welche er stellte, wohin unter Anderem gehörte, daß er weder im fürstlichen Schlosse wohnen, noch immer bei Hofe erscheinen müsse, wurden gewährt. Er war aber noch nicht lange in Weimar, als er schon Verfolgungen erfuhr. Graf G...., ein feiner Hofmann, hatte sehr bald eine Partei gegen ihn gebildet, die nichts Anderes bezweckte, als ihn zu verdrängen. Als Knebel die Absicht des Grafen erfuhr, schrieb er sogleich an die Herzogin und bat um seinen Abschied, indem er die Gesinnungen des Grafen offen und unumwunden darlegte. Der Graf G.... kam am andern Morgen selbst zu ihm und bat dringend, daß er bleiben möge, da seine Behauptungen, welche er gegen die Herzogin ausgesprochen, bloße Muthmaßungen und Mißverständnisse sehen. Knebel ließ sich wirklich bereden und blieb. Im Jahre 1774 trat er mit den beiden Prinzen, Graf G.... und einigen andern Personen die Reise nach Paris an. In Frankfurt suchte er Goethe auf, dessen persönliche Bekanntschaft er lange gewünscht hatte, und ward dadurch die Veranlassung, daß Goethe mit dem nachmaligen Großherzog von Weimar bekannt wurde. Merkwürdig ist, daß ihm Goethe schon 326damals eine der letzten Scenen des „Faust“ vorlas (1774) und die ersten Scenen gar noch nicht vorhanden waren. Auch wegen dieser Anknüpfung war Graf G.... nicht wenig auf Knebel @rbittert. Man setzte nun die Reise über Straßburg nach Paris fort. In Paris hatte Knebel das Glück, bald der Freund und Liebling der dortigen Gelehnten zu werden und wurde ohne Graf G.... in ihre Zirkel eingeladen, ein Umstand, der den Neid des Grafen noch mehr reizte. Als aber Knebel auf der Rückreise in Karlsruhe, wo er Klopstock’s nähere Bekanntschaft machte, die Gunst des Markgrafen in hohem Grade gewann, kam endlich die stille Wuth des Grafen zum Ausbruch, auf eine Weise, die wir hier um so mehr übergehen, da theils zu delikate Verhältnisse obwalten, es uns aber auch theils zu weit abführen würde. Genug Knebel reiste früher ab als die Uebrigen. In Bamberg traf man sich erst wieder und in Hildburghausen kam Graf G.... auf Knebel’s Zimmer, als dieser eben im Begriff war, einen Brief an ihn zu schreiben. Knebel gab ihm den noch unvollendeten Brief, indem er sich über sein Betragen hart beschwerte. Graf G.... mußte jetzt der Nothwendigkeit nachgeben, und bat Knebel, daß man gegenseitig von Allem, was während der Reise vorgefallen sey, schweigen wolle, um die Herzogin, welche man in Ilmenau treffen würde, nicht mit Unannehmlichkeiten zu behelligen; Knebel versprach es und man gab sich hier auf das Wort. Kaum war man einige Tage in Weimar angelangt, so gab die Herzogin Knebel zu erkennen, daß Graf G.... weder mit ihm noch mit dem Prinzen zufrieden sey und machte Knebel bittere Vorwürfe deshalb. Jetzt schien der Augenblick gekommen, wo Knebel den Grafen entlarven mußte; er theilte ihr Alles auf’s Genaueste mit, was während der Reise vorgefallen war und bemerkte, daß er gern geschwiegen, wenn der Graf nicht selbst das Wort gebrochen hätte. Graf G.... bekam unmittelbar darauf seinen Abschied und Knebel behielt die ungeschwächte Gunst der Herzogin bis zu ihrem Tode. Knebel, der sich am liebsten einer philosophischen Einsamkeit hingab, wählte sich, mit seinem fürstlichen Zöglinge, das einfache, drei Viertelstunden von Weimar gelegene Dörfchen Tiefurth, und gestaltete es durch Anlegung eines geschmackvollen Parks und anderer sinnigen Einrichtungen zu einem der schönsten Punkte jener Gegend, der bald nachher der Lieblingsort der fürstlichen Familie und ihrer Umgebung wurde. Dies kleine und bescheidene Dörfchen barg oft in einem kleinen Raume Wieland, Goethe, Schiller, Herder, Jean Paul und Knebel; ein Vorzug, um welchen selbst Rom und Athen dieses Dörfchen beneiden dürften. Das innigste Verhältniß fand wohl statt zwischen ihm und Herder, denn jede Freude und jedes Leid ward zwischen ihnen getheilt, kein literarisches Unternehmen fand ohne vorangegangene gegenseitige 328Mittheilung statt, und es wurde in der Herder’schen Familie kein häusliches Fest begangen, bei welchem nicht Knebel als Mitgenosse zugezogen wurde. Der Briefwechsel zwischen ihm und Herder beweist, wie nahe sich die Herzen dieser beiden Freunde standen.
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